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Türkei IV Ostanatolien


Einzigartig unbekannte Landschaften im Osten


Das in einer Talebene, aber 1000 m hoch gelegene Divriği und das nette Personal unseres wunderbaren Hotels verlassen wir bei großer Hitze. Schon am Morgen klettert das Thermometer in schweißtreibende Höhen! Daher sind wir froh zunächst auf etwas höher gelegene Regionen fahren zu dürfen. Dort ist es erträglich und wir klettern teilweise auf 2000 m. Das Motorradfahren macht einfach wieder Spaß! Von oben können wir auf Täler blicken und eine enorme Weite breitet sich vor uns auf. Es ist erstaunlicherweise sehr grün, gar nicht so, wie man es auf über 2000 m erwartet, aber einfach so schön und so unbekannt!

Wir genießen, wohlwissend, dass eventuell ein weiterer Genuss auf uns zukommen wird, denn wir sind auf dem Weg in das Euphrattal.

In der kleinen Stadt Arapgir biegen wir ab, um in Richtung Euphrat zu fahren, als in einer Kurve jemand entgegen kommt, wahnsinnig lichthupend und wild aus dem Auto heraus gestikulierend bedeutet, wir sollten anhalten. Ist irgend etwas mit den Motorrädern? Wir bleiben am Straßenrand stehen, um nachzuschauen, was eventuell los ist. Ich erkenne im Rückspiegel einen blauen Renault und dass jemand aus dem Wagen steigt und auf uns zu kommt. Es gibt Zufälle im Leben, die gibt es eigentlich nicht! doch, sie gibt es! Denn wir erkennen Beide  gleichzeitig: das ist der Mann, der uns vorgestern geholfen hat, den Weg raus der Offroadpiste  zu finden. Wir fallen uns fast in die Arme! Tauschen nochmals Telefonnummern aus, wünschen uns gegenseitig das Allerbeste und versichern uns, wir bleiben in Kontakt!

Es ist nach wie vor heiß und wir haben das Euphrattal vor uns. Es gibt so Gegenden auf dieser Welt, die sind so unglaublich schön. Und diese gehört definitiv dazu, zumal sie so unbekannt bei uns ist. Der Euphrat, jener biblische Fluss! Das klingt magisch in unseren Ohren! 

Der Euphrat bildet mit seinem Zwillingsfluss Tigris das Zweistromalnd und ist mit einer Länge von über 2700 km der längste Fluss Vorderasiens, Er fließt durch die Türkei, durch Syrien und den Irak, um in den Golf von Persien zu münden.

Von Arapgir fahren wir lang gestreckte Kurven bergan, um uns dann hinab ins Tal zu schlengeln. Eine Kurve nach der anderen, keine Leitplanken, aber ein grandioser Blick nach unten auf den Fluss. Nach jeder Biegung entweichen uns Laute wie "ohhhh", "aaaah" oder "woooow" und unsere Worte wiederholen sich: "Grandios!" "Irre!" "Wahnsinn!" "Der Hammer!" "Spektakulär!"

Der Fluss ist hier ziemlich breit und sein Wasser leuchtet knatsch türkis. Ein einziger Augenschmaus! Wir halten oft und können uns nicht satt sehen. Zudem ist wirklich wenig Verkehr, so ist auch das Fahren wahrer Genuss!

Wir bewegen uns direkt auf den  Karanlık Kanyon, auch als Dark Canyon bekannt, zu. Unter Motorradfahrern ist die Schlucht sehr bekannt. Er ist 25 km lang ca eine Hälfte ist eine geteerte Straße und die ander Hälfte ist unbefestigt mit kleinen dunklen Tunneln, die direkt am Wasser entlang führt. Während wir überlegen, ob wir so waghalsig sein wollen, oder lieber doch nicht. Nein, nicht wirklich ernsthaft wollen wir die Offroadstrecke nehmen, aber ein türkischer Motorradfahrer nimmt uns dann die Entscheidung ab. Der Canyon ist ungefähr ab der Hälfte der unbefestigten Straße durch Steinabbruch gesperrt und man muss wieder umkehren. 

 

Aber auch das Stück mit der geteerten Straße ist so schön, dass uns wieder besagte Laute und Worte über die Lippen kommen! Hohe, steile Felswände ragen rechts und links empor. Wir haben die Straße fast für uns alleine, bevor wir hinter dem Ort Iliç abbiegen und Richtung Erzincan fahren. Der Fluss taucht auch immer mal wieder rechts oder links, mal nah, mal weit weg auf.

 

An einer Biegung finden wir einen überdachten, schattigen Pausenplatz und als wir unseren wenigen verzehrbaren Proviant auspacken, kommt ein kleiner Sprinter angebraust, hält, ein Mann stiegt aus, reicht uns eine Plastiktüte mit den Worten "Lavash"  und vielen anderen Sätzen, die wir nicht verstehen, steigt wieder ein und fährt so plötzlich wie er gekommen war, wieder von dannen. In der Tüte eingewickelt befindet sich tatsächlich das im letzten Blog beschriebene Brot. dass ebenfalls in Georgien, Armenien, Aserbaidschan, im Iran und Irak gebacken wird. Sozusagen ein Zubrot für unser Picknick kommt uns doch gerade gelegen! Ein kleines Nickerchen am Rande der Straße und wir setzen unsere Reise erholt fort. 

 

Die ostanatolische ca. 150.000 Einwohner zählende in einer Talsenke am Karasu, einem Quellfluss des Euphrat, gelegene Stadt war schon vor 2 Jahren auf unserer großen Türkeireise unser Ziel. An ihren Flanken ragen über 3000 m hohe Berge empor und wir haben in einem Apartmenthotel eine saubere kleine Wohnung gebucht, die sogar eine Waschmaschine samt Ständer besitzt. Das animiert mich doch gleich, endlich mal eine große Wäsche zu machen!

Es ist ja Opferfest, die Straßen und sonst so geschäftigen Gassen sind leer und fast alle Läden und Restaurants haben zu.... wie Sonntag Nachmittag in Peine! Dank eines offenen Supermarktes und eins Fast Food Imbisses müssen wir aber weder Durst noch Hunger leiden. 

Erzincan verlassen wir mit sauberer Wäsche weiter Richtung Nordosten. Der Euphrat, der immer mal wieder aufgestaut ist noch ein letztes Mal unser Begleiter. Heute haben wir eine stramme Strecke von 430 Kilometern vor uns. Um möglichst nah an die georgische Grenze zu kommen, haben wir im äußersten Nordosten der Türkei, in der Stadt Ardahan in Zimmer gebucht.

Wir umfahren die Großstadt Erzurum und fahren weiter und weiter. Harry und Sally brummen sorglos vor sich hin, wir befinden uns auf eine Hochebene auf fast 2000 m Höhe und wir kommen wirklich gut voran. Zunächst... ! Ich weiß, ich langweile euch vielleicht mit dem Wetter und ihr wisst, was jetzt kommt: Regenklamotten an, Augen zu und durch! Wenn es in den Bergen regnet, dann kommt der Regen ja selten als Niesel runter. Wir erleben drei so heftige Wolkenbrüche, dass wir nur im Schritttempo mit Warnblinker vorankommen. Sicht ist gleich null. Zum Glück können wir uns während 2 solcher Güsse an einer  Tankstelle unterstellen und das Gröbste abwarten.

Kurz vor Ardahan, dass ebenfalls auf 2000 m liegt, hört es endlich auf. Trotz des Wetters lässt uns diese majestetische, dünn besiedelte  Weite immer wieder staunen.

Das Hotel mit dem klangvollen "Kafkas Ari Hotel" erreichen wir erschöpft, nass und schmutzig. Vielleicht liegt es an unserer Erscheinung, dass wir nicht besonders freundlich empfangen werden, denn der Empfangsmensch und sein Kollege sehen nicht nur finster aus, sondern mustern uns genauso  finster, händigen uns aber dennoch den Zimmerschlüssel aus. Die Stadt ist mit paarundzwanzigtausend Einwohner nicht besonders groß. Auf der Suche nach etwas Essbaren entdecken wir im Augenwinkel, ganz versteckt ein Restaurant, das sich im ersten Stock eines unscheinbaren Hauses befindet. Auf dem dunklen Treppenaufgang kommt uns schon ein leckerer Grillgeruch entgegen. Ein Kellner führt uns vorbei an einem offenen langen Grill, auf dessen mit Holz gefeuerten Rost bereits große Spieße, voll bestückt mit allerhand Fleischstücken, brutzeln, an einen Tisch. Durch den Raum wabern leichte Nebelschwaden, denn der Grill scheint keinen besonders guten Abzug zu haben. Ein deutscher TÜV hätte das Restaurant ganz sicher geschlossen. Der Grilldunst verbindet sich mit leichtem Zigarettenqualm, denn in vielen Restaurants darf geraucht werden. Die Gelegenheit, ein besonderes leckeres Essen genießen zu können, möchten wir uns nicht entgehen lassen und nehmen an dem uns zugewiesenen Tisch, platz, wo wenigstens das Fenster etwas geöffnet ist. Der Gastraum wirkt allerdings richtig gemütlich, die Tische sind mit Tischdecken und Stoffservietten liebevoll eingedeckt und an den Decken hängen orientalische Kronleuchter, die gedämpftes Licht ausstrahlen. An den Wänden hängen Bilder, die perfekt angeordnet sind. Das Mobiliar ist loungeartig bequem und alles passt farblich zusammen. Das gesamte Restaurant ist gut besucht und an langen Tischen sitzen große Gruppen von Männern, plaudern, rauchen und trinken Raki, die Flaschen stehen unübersehbar am Ende einer jeden Tafel. Mit etwas Wasser verdünnt, sieht er in den Gläsern aus wie der französische Pernod! Hier darf also Alkohol ausgeschenkt werden! Das ist aber nicht das Einzige, was uns auffällt: Ich bin die einzige Frau! Das stört mich wenig, denn die Kellner sind nett, sprechen Englisch und wir bestellen gemischte Vorspeisen, die man in der einer Auslage selbst zusammenstellen kann,  einen mixed Grill aus Lamm und Hühnchen und noch dazu Grillgemüse. Alles wird frisch zubereitet und ist, neben Leos Fisch vom Ohridsee in Albanien, eines unserer kulinarischen Highlights. 

Voll gesättigt verlassen wir das Restaurant, dabei stellt sich heraus, es war ein Kurdisches!

Die Sonne ist bereits unter gegangen und die Temperaturen fallen hier oben im türkischen Hochland unter 10 Grad. Unser vorerst letzter Abend in der Türkei hätte nicht besser enden können! Wir gehen früh schlafen, denn Morgen haben wir zwar eine kurze Strecke vor uns, aber wir müssen gleich 2 Landesgrenzen passieren, denn Ziel ist die Stadt Gjumri in Armenien!

Das Frühstück im Kafkas Hotel fällt ziemlich spärlich aus, aber durch Bezirzen des unverändert unfreundlichen Personals ergattern wir wenigstens einen Pulverkaffee.

Es ist noch sehr frisch draußen, knapp über 10 Grad, als wir Ardahan verlassen.

 

Wir machen uns nun auf nach Armenien! Unser großes Ziel im kleinen Kaukasus!

Ob und wie wir es erreichen, folgt im nächsten Tagebucheintrag!

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Kommentare: 2
  • #1

    Steffi M. (Dienstag, 04 Juli 2023 17:19)

    Hallo liebe Sabine, ganz gespannt warte ich immer auf deine Berichte. Ich freue mich, dass es alles so ziemlich gut läuft und wünsche euch weiterhin so tolle Eindrücke und kulinarische Erlebnisse. Liebe Grüße auch an deinen Mann von Steffi M.

  • #2

    Sabine (Donnerstag, 06 Juli 2023 16:41)

    Je länger ich eure Reise verfolge, desto mehr bewundere ich euch für euren Mut und die Abenteuerlust. LG