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Donaudelta, Rumänien Teil 2


Sturm auf das Donaudelta


Wenn ihr Focsani nicht kennt, habt ihr nichts verpasst. Das fette Steak haben wir in der Nacht verdaut und nun soll es es endlich ans Donaudelta gehen.

Bereits am Morgen bemerken wir, dass es ziemlich windig ist und als wir uns auf freier Strecke befinden, bläst uns ein wüstenartiger Wind von der Seite an. Es sieht diesig aus, die Sonne ist nicht zu sehen, die Luft ist gefüllt mit Staubpartikeln und es lässt sich nur bei runter geklappten Visier fahren. Alle Felder sind abgemäht, die Landschaft wirkt dadurch sehr karg und eintönig, es ist heiß und der Nacken wird steif von der Ganzengegendenwindhalterei. Auch die heutige Etappe ist kurz und die Vorfreude auf das Donaudelta groß. Mein lieber Mann hat uns eine Tour über die Großstadt Galati geplant. Galati ist nur noch 10Km von der Republik Moldau entfernt und auch die Ukraine ist nicht mehr weit. Von hier aus wollen wir eine Donaufähre nehmen. Wir quälen uns durch den Großstadtverkehr, vorbei an alten Industrieruinen, rauchenden Schloten und Schwerindustrie. Die Stadt ist so ziemlich die Hässlichste, die wir jemals durchfahren haben. Vergammelte Plattenbauten scheinen dem Verfall Preis gegeben zu sein, hier wohnen tatsächlich Menschen und nicht wenige. Alles ist grau und schmuddelig, auch die Luft riecht nicht gerade gesund. Zerzauste Straßenhunde, die genau so grau aussehen wie die Umgebung, kreuzen hinkend unseren Weg oder liegen ausgemergelt am Straßenrand. Ich werde immer ganz traurig, wenn ich diese armen Kreaturen sehe. Hier in der Nähe gibt  es eine Auffangstation, die von Daniela Paun geführt wird und die sich liebevoll um die Tiere kümmert und auch Hunde nach Deutschland vermittelt!

Gut, dass wir auf der Durchfahrt sind.

Als wir am Stauende zur Fähre, die gerade ankert, halten und ich den Weg bis auf diesen Kahn überblicke und inspiziere, weiß ich sofort: " Nein, auf dieses Schiff fahre ich nicht rauf! Nein, nein, nein! " Nicht, weil es nicht gerade einen vertrauenserweckenden Eindruck macht, sondern weil die Zufahrt so bergab und teilweise schottrig ist. Hinzu kommt die Gefahr auf glitschigem Ölflecken, die sichtbar in der Sonne bunt glitzern, auszurutschen. Zu allem Übel müsste ich auch noch über eine hohe Eisenschwelle fahren. Nein und immer wieder nein! Das will ich meiner voll beladenen Sally und mir nicht zu muten. Das Risiko, dort umzukippen, ist mehr einfach zu hoch. Trotz allen aufmunternden Worten meines lieben Mannes: " Du schaffst das schon! Etc.!", bleibe ich dabei: "Nein, das schaffe ich nicht!" Meinem Bert bleibt also nichts anderes übrig als meinem Bitten und meinem störrischen Sturkopf nachzugeben, nicht diese Fähre zu nehmen. Also, wir drehen um, nur 20 km weiter soll es eine Brücke geben. Um Tulcea zu erreichen, müssen wir auf jeden Fall über die Donau. Wir fahren also diesen Umweg, um dann... oh Schreck!... zu meinem Entsetzen festzustellen, eine Brücke gibt es gar nicht!  Nur eine weitere Fähre!

Da muss ich jetzt wohl durch! Mir bleibt nichts übrig! Mutig atme ich durch! Als ich aber die Zufahrt zum Kahn erblicke, überkommt mich das gleiche Grauen wie zuvor!

Zwar ist diese Fähre kleiner als die in Galati, aber ich kapituliere erneut! Die Zufahrt zur Fähre ist mindestens genauso steil. Es gibt zwar keinen Eisenabsatz, aber dafür einen sehr schmalen,  glatten Steg! Den packe ich mit meinem Tunnelblick nicht! Ich käme nur ins schlieren! Auch die Fähre selbst hat so einen seltsamen riffeligen Belag. Ich steigere mich in meine Angst und male mir schon bildlich aus, wie ich mit meiner Sally um liege und bin den Tränen nahe! Mein lieber Mann versucht erst gar nicht, mir erneut mit lieben Worten, Mut zu machen und zeigt Verständnis. Wir halten zwar den Verkehr auf - wie  peinlich - aber Bert fährt erst mit Harry auf die Fähre und dann mit meiner Sally. Ich gehe zu Fuß drauf! Diesmal laufe ich nicht vom Schwitzen rot an sondern vor Scham!

 

Manchmal muss man eben seine Schwächen zugeben. Ich kenne meine eigenen Grenzen und stehe dazu! Ich bin schon auf unzählige Fähren gefahren, sogar in der Nacht auf einem unbeleuchteten Hafengelände in Batumi/ Georgien - attackiert von einer griffigen Hundebande - ! ich vergebe mir und euch absolut nichts, wenn ich mal sage, ich schaffe das nicht! 


So, nun aber genug! wir überqueren endlich die Donau und bis Tulcea geht es angestrengt stürmisch weiter. 

Tulcea, bekannt als Rumänisches Tor zum Donaudelta, empfängt uns ebenfalls mit holprigen Straßen und Plattenbauten aus Kommunismus Zeiten.

Das Hotel Duna Dunari liegt Vis a Vis zum Ufer und alle Zimmer haben Donaublick. Unser Zimmer ist schnell bezogen und als wir die Tür zu unserem französischen Balkon öffnen, sind wir über glücklich, dieses über 2000 km von Zuhause entfernte Ziel erreicht zu haben! Eine Dusche erfrischt uns und ich kann mir endlich den Wüstenstaub und den Angstschweiß abwaschen. 

Dass sich Bagger lautstark arbeitend vor unserem Hotel bewegen, bemerken wir erst auf den zweiten Ohr. In diesem Augenblick ist uns das ziemlich egal.

Für den nächsten Tag buchen wir gleich an einem Anleger unweit unseres Hotels eine Bootstour ins Delta. Hier sehen wir auch gleich, was es mit dem Baubetrieb vor unserem Hotel so auf sich hat. Es wird eine neue Promenade gebaut! Zu Ceaucescus Zeiten war das hier sicher ein Meisterwerk sozialistischer Architektur, Plattenbau, wohin das Auge reicht. Man kann nur erahnen, wie es früher einmal ausgesehen hat, es war einmal ein Park am Ufer der Donau.  Längst überwuchert Unkraut  die mittlerweile verfallenen Sitzbänke, auf denen man nun nicht mehr  Platz nehmen kann. Auch von den kleinen Monumenten bröckelt der sozialistische Putz. In den Häusern wohnen Menschen, aber kein einziges Blümchen ziert die Balkone, nur Wäsche wird getrocknet. Niemand mag hier wohl mehr gemütlich sein Feierabend Bier trinken und durch die Einfachverglasung bläst im Winter sicher Wind durch die Wohnzimmer.  Wie schön, dass sich vielleicht endlich etwas tut und in ein paar Jahren hat sich die Stadt hoffentlich raus geputzt, denn sie könnte nicht nur hier am Donauufer, sondern überall einen neuen Anstrich gebrauchen. Vereinzelt sieht man sogar schon ein wenig Restauration, denn zwischen den alten Häusern sind schon einige Platten restauriert und sehen wirklich ansehnlich aus.

Also, uns stören  die Bagger vor unserem Fenster nicht, mögen sie doch schnell fertig werden und ein ansehnliches Stadtbild erbauen! Man kann  nur hoffen, dass sich dann auch die Menschen die Mieten leisten können!

 

Einige Bars und Restaurants säumen die alte Promenade. Sie sind gut gefüllt, aber ausländische Touristen nehmen wir nicht wahr. Dass es hier keinen ausländischen Tourismus gibt merken wir an der Speisekarte des Restaurants, wo wir Platz genommen haben. Sie ist "nur" auf rumänisch. Im Deuten ausländischer Speiskarten sind wir doch Meister! Wir bestellen ein "Snitel mit Kartofi", dazu einen Salat bulgaria...Genau!... Wir bekommen ein paniertes Schnitzel und Pommes, dazu einen Salat mit Streukäse.


Wir brauchen keinen Wecker, der Baubetrieb beginnt pünktlich um 7.00 Uhr. Wir wollten eh aufstehen, denn  wir freuen uns mächtig auf unsere Deltatour. Im Hotel bekommen wir heute noch ein Frühstück, was Morgen nicht mehr der Fall sein wird.  Aber das können wir zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht wissen.

Als unser Boot ablegt, ist es 10.00 Uhr und von nun an geht es für einen halben Tag auf dem Hauptarm, später durch Seitenarme und durch kleine Kanäle. Das kleine Boot ist modern und fasst 12 Passagiere und es ist fast ausgebucht. Mit uns reist ein anderes ausländisches Pärchen, vermutlich Holländer (sie reden nicht, das ist nur unsere Einschätzung ;-)) , eine Familie mit Kind und 2 rumänische Paare mittleren Alters, wovon der eine Herr so nett ist und auf Englisch übersetzt, was der Skipper uns Wissenswertes erzählt. Danke!

Das Biosphärenreservat Donaudelta ist neben dem Wolgadelta das zweitgrößte in Europa und umfasst ein Gebiet von 5800 km2, wobei über 80 % zu Rumänien gehören, der Rest zur Ukraine. Noch gut ist uns der Besuch in Izmail/Ukraine im letzten Jahr in Erinnerung, wo wir vergeblich versucht haben, so eine Donaudeltatour zu organisieren. Nun herrscht im Land Krieg! Aber das ist ein anderes Thema! An einem Stück des Kanals ist die Ukrainische Grenze nur 3 Km entfernt.

Bisher hat man über 4000 Tierarten gezählt, wovon es allein über 300 Vogelarten gibt. Die bekannteste ist  der Pelikan, auch Wahrzeichen des Deltas. Wir dürfen von weitem mehrere kleine Rosapelikan-Kolonien beobachten.

Auch Reiher, Kormorane und sogar Adler bekommen wir zu sehen. Am Rand der größeren Kanalverzweigungen bewundern wir ganze Felder von Seerosen. Entlang des Deltas gibt es auch einige Ortschaften, im Örtchen mit dem Namen Mila23 legen wir eine Mittagspause ein.

Unser Boot kann ganz schön Fahrt aufnehmen und wir preschen auf dem Rückweg durch die Kanäle, es geht rechts und links und um steile Kurven. Obwohl es ziemlich diesig ist, ist es trotzdem ziemlich heiß und der Fahrtwind tut uns gut. Wir sind am frühen Nachmittag zurück in Tulcea.


 Eine Chance möchten wir der Stadt noch geben, sich von ihrer besten Seite zu zeigen und machen einen  kleinen Fußmarsch von der Promenade entfernt auf einen Hügel auf dem sich ein Monument befindet.  Vielleicht verbirgt sich ja dahinter eine reizende kleine Altstadt! Mein Fuß findet die holprigen Fußwege zwar nicht so toll, aber vielleicht lohnt sich ja der Weg hier hoch! Aber es so wie befürchtet, auch hier breitet sich leider eine Tristesse aus! Das Areal rund um das Unabhängigkeitsdenkmal von 1899 mit einem Obelisk von 22 m Höhe ist wenig gepflegt. Auch die kleine Altstadt mit verwinkelten Gassen, schönen Lädchen und Cafes war nur ein Wunschdenken meinerseits und ein Hirngespinst in meinem Kopf!

Wir tippeln also wieder runter zur verfallenen Donaupromenade. Unser letzter Abend ist angebrochen, mit einer Pizza kann man selten etwas falsch machen. In der hiesigen Pizzeria schmeckt sie tatsächlich gut.

Nun wollen wir wieder weiter ziehen und entscheiden uns, von nun an nur noch kurze Etappen einzuplanen. Man weiß ja nie, was so für Unwegsamkeiten auf einen zu kommen! Straßen, Wetter oder sonst etwas! Ein letzter Tag in Rumänien soll uns an einen Ferienort der Schwarzmeerküste führen.

Bevor wir aufbrechen, wollen wir uns  mit einem leckeren Kaffee und einem deftigen Frühstück aus der Hotelküche stärken. So wie gestern vor der Deltafahrt. Die Dame, die anscheinend die einzige Angestellte im Haus ist und die wahrscheinlich für den gesamten Hotelbetrieb zuständig ist, setzt ein grimmiges Gesicht auf. Ihr Mund, in dem die Schneidezähne fehlen, hat wohl nie das Lächeln gelernt. Unter Einsatz von Körpersprache will sie uns mit ihrem üppig geformten Körper mitteilen: "Sprecht mich nicht an! Und wenn doch, wehe, ihr fragt nach Frühstück!" Wir wagen es trotzdem und stellen schüchtern unsere Frage. "Nein, heute gibt es kein Frühstück! Die Küche ist geschlossen!" Das verstehen wir auch nonverbal. "Aber wenn ihr mich ganz lieb bittet, dann gebe ich euch einen Kaffee!" Und sie lässt sich tatsächlich herab und bringt uns wenigstens einen Kaffee!

Wir aber sind ja clever und vor Allem gut ausgerüstet. Wir haben ja noch Marmelade, Peanautbutter, 2 hart gekochte Eier von unserer vorletzten Übernachtung und Brot von vor - ich weiß nicht mehr - wie viel Tagen. Das hat sie nun davon! Wir breiten uns auf einem Tisch des sonst leeren Restaurants aus, schlürfen, den von ihr kredenzten Kaffee, essen unser Hasenbrot und hinterlassen ihr zur Strafe die Eipellen!


Es ist Samstag und wir haben ein Hotelzimmer an der Schwarzmeerkürste gebucht. Schon oft haben wir uns geschworen, nie am Wochenende in Touristenhochburgen zu nächtigen. Ganz Rumänien scheint das heiße, letzte Augustwochenende an der Küste verbringen zu wollen! Unterschwellig ist uns das schon bewusst, aber für einen Sprung ins kühle Schwarze Meer nehmen wir das dann doch wohl wollend in Kauf.

Schon kurz hinter der Hafenstadt Konstanza fahren wir im Stau und im Schneckentempo unserem Ziel entgegen. Da, wo wir etwas mehr Gas geben könnten, bremsen uns die Rumänien mit ihrem ganz besonderen Fahrstil aus, überholen in Kurven mit überhöhter Geschwindigkeit und zeigen uns ganz protzig, wer hier Herr der Straße ist!

Die Ferienorte haben so klangvolle Namen wie "23.August", "2.Mai", "Neptun" oder "Venus". Der Ort unseres Begehrens heißt "Saturn" und liegt nicht weit von  der Bulgarischen Grenze entfernt. Wir erreichen trotz des enormen Verkehrsaufkommen schon am frühen Nachmittag an unseren Zielort. Total durch geschwitzt betreten wir das Hotel und das junge Mädchen an der Rezeption erklärt uns in einem einwandfreien Englisch, dass unsere Zimmer noch nicht fertig seien, das Hotel sei ausgebucht. Geduldig nehmen wir in der Lobby Platz und warten, und warten, und warten! Nach geschlagenen 2 Stunden - es ist mittlerweile 16.00 Uhr -  können wir endlich unser Zimmer beziehen. Auch in diesem, einem kleineren der vielen Hotelburgen, scheint ein wenig die Zeit stehen geblieben zu sein. Neues Inventar täuscht allerdings nicht darüber hinweg: Der in Platte gebaute Bunker versprüht eine Menge Ostcharme, was uns spätestens beim Betreten des alten Fahrstuhls bewusst wird, dessen Türen rumpelnd schließen und der uns mit einem Ruck in den 4.ten Stock katapultiert. 

Dann machen wir noch Bekanntschaft mit der Putzfrau Violeria, die für unser Stockwerk zuständig ist. Sie will noch die letzten Abschlussarbeiten in unserem Zimmer erledigen und schwingt den Feudel. Sie umarmt uns, als wir ihr bedeuten, es sei genug geputzt, denn alles blitzt fein sauber in unserem Plattenbauhotelzimmer. Violeria putzt jeden Tag die gesamte Etage und in der Hochsaison ist das Schwerstarbeit. Üppig verdienen tut sie dabei sicher nicht! Ein Gedanke an alle Zimmermädchen in allen Hotels dieser Welt!

Wir haben tatsächlich noch Zeit, uns an den Strand und somit ins Getümmel zu begeben. Wir bahnen uns einen Weg ins Wasser zwischen im Sand buddelnden Kindern, kreischenden, mit Luftmatratzen gewappneten Jugendlichen und umherstehenden und sich unterhaltenden Alten. Die sanften Wellen und die kühle Wassertemperatur lassen uns trotz des überfüllten Strandes das Bad im Meer genießen.

Ein Abendessen am Buffet unseres Hotels runden unsere nostalgische Ostflairtour ab!

Das war es also, Rumänien! Ob wir jemals wieder kommen werden? Wir wissen es nicht!...

Wir ziehen weiter nach Bulgarien!

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Kommentare: 3
  • #1

    Christian Hammann (Dienstag, 30 August 2022 19:08)

    Grossartig geschrieben ich hatte wirklich das Gefühl; ich war dabei danke und Umarmung chrischaaan

  • #2

    Maik und Elke (Dienstag, 30 August 2022 20:05)

    Hallo ihr zwei, wunderbar beschrieben euer Tripp. Du musst dich nicht schämen, wenn man kein gutes Gefühl hat dann muss man es lassen. Meistens geht es dann schief wenn man es doch versucht. Ihr habt alles richtig gemacht. Wir hätten es genau so gemacht. Weiterhin gute Fahrt und herzliche Grüße von Maik und Elke �‍♀️�‍♂️

  • #3

    Heidrun (Mittwoch, 31 August 2022 09:11)

    …ihr Lieben, bin mir ziemlich sicher, dass ihr Rumänien auch wieder sehen werdet.
    Und wenn nicht, wie immer auf zu neuen Ufern….
    ;-)