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Ukraine Teil 2


Ein Reinfall kommt selten allein!


Unser nächstes Ziel soll dann endlich unser erstes Highlight sein, das ukrainische Donaudelta!

In der Stadt Izmail vor dem Delta haben wir wieder ein Apartment gemietet, denn hier wollen wir 2 Tage verbringen.

Richtige Hitze sind wir ja gar nicht mehr gewohnt! Aber hier scheint morgens vor 10.00 Uhr die Sonne mit voller Kraft und es sind schon an die 30 Grad als wir uns in Bewegung setzen.

Grenzen überwinden außerhalb der EU-Zone ist ja immer so ein kleines Abenteuer für sich. Man weiß nie so genau, was und vor allem wer (gemeint sind die meist nicht besonders freundlichen Grenzer!) einen da so erwartet und wie lange so ein Grenzübertritt dauert. Ganz speziell sind die kleinen Grenzübergänge so wie dieser hier zwischen Moldawien und der Ukraine an dem kleinen Grenzort Mirnoe im Länderdreieck Moldawien, Ukraine, Rumänien. Dementsprechend ist nichts los, 3 PKWs mit russischen Kennzeichen sind vor uns, das ist alles. Die meiste Zeit verbringen wir mit Warten, hüben wie drüben. Es kann schon seine Zeit dauern, bis sich so ein Beamter mal bewegt. Am wichtigsten aber sind immer unsere Motorräder. Die Fahrgestellnummer wird peinlichst genau mit der der im Fahrzeugschein angegebenen verglichen! ... Die Moldawier prüfen das sehr genau, es soll ja schließlich niemand verantwortlich sein, dass das ein oder andere Fahrzeug verschoben wird.

Für die Ukraine bekommen wir wieder einen Laufzettel. Die Prozedur kennen wir ja auch schon. Auch unser Impfausweis ist dieses Jahr ein wichtiger Bestandteil unserer Dokumente.  Ein Beamter nimmt uns erst einmal alle nötigen Papiere ab und verschwindet in seinem Büro. Wir warten und warten bis man sie uns endlich wieder aushändigt mit dem nötigen Stempel auf unserem Laufzettel. In einer knappen Stunde sind wir aber durch und finden uns erneut auf einer ukrainischen Straße wieder.

Erstaunlich gut ist die Beschaffenheit  bis Izmail. Das gebuchte Apartment finden wir zwar schnell, zumindest das Mehrfamilienhaus in dem es sich befindet. Hinweisschilder auf Unterkünfte, zumindest bei den Kleinen und Privaten sucht man vergebens. Wir telefonieren mit der Besitzerin, die als gleich in Form von einer jungen Dame mit - sagen wir - mit der typischen Aufmachung  vorbei kommt: Gitzerschläppchen, Glitzerminikleid mit tiefem Ausschnitt, designte Fingernägel und reichlich Makeup. Sie schüttet noch etwas duftendes Putzmittel in die Toilette, zeigt uns die Räumlichkeiten, kassiert das Geld, übergibt uns die Schlüssel und rauscht auch gleich wieder ab. Wir befinden uns in einem wahrscheinlich typischen Mehrfamilienhaus. Das Treppenhaus erinnert uns an das, was wir vor 2 Jahren in Murmansk gesehen haben und ist ähnlich runtergekommen mit haarsträubenden elektrischen Konstruktionen. Die Inneneinrichtung unserer Unterkunft ist besonders sehr geschmackvoll ausgefallen, wir würden sagen : "Eiche brutal in der übelsten Ausführung"! Hier hat sich jemand sich vollster Liebe zum Detail ausgelassen: Eine Wand mit einer Glitzerleopardentapete, dazu ein passender Ausziehsessel auch mit Leopardenmuster. An der Wand prangt als Blickfang ein Ölgemälde mit Landschaft. Die anderen Wände schmücken eine Landschafts-irgendwie-schwarz-weiß-Tapete. Die passende Deko sind eine Delphinuhr und ein Dreieck aus Muscheln mit Schmetterling prangt über unserer Ausziehcouch, die auch unser Bett ist. Im engen Bad befinden sich diverse Rohrkonstruktionen, und ich weiß jetzt auch, warum die junge Dame noch Duftendes in die Toilette gekippt hat. All das ist uns schließendlich auch egal, wir sind für uns und müssen uns nicht mit unserem Gepäck in ein enges Hotelzimmer quetschen. 

Izmail ist mit ca. 85000 Einwohner nicht besonders groß und liegt am nördlichen Mündungsarm der Donau. Wir gehen gleich auf Erkundungstour und wollen schon mal einen Ausflug für Morgen ins Delta buchen. Sieht ganz nett aus, dieses Izmail, aber wir laufen vergeblich durch die Stadt auf der Suche nach einer Buchung. Na dann, ist wahrscheinlicher etwas am kleinen Donauhafen zu finden. Eine überdimensionierte, neu angelegte Fußgängerzone bestimmt 50 m breit und 500 m lang, auf der außer uns noch ein Pärchen flaniert, führt dorthin. Die Straße neben uns, auf der die Autos eher hoppeln als dass sie fahren, ist im üblich ukrainischen Zustand. Auf der Donaupromenade ist auch wenig los, ein kleiner Flusskreutzer ankert und das einzige Restaurant ist wenig besucht. Ein alter Plattenbau scheint so etwas wie Büros zu beherbergen. Wir rütteln vergebens an den Türen,  alles ist zu. Und nun? Von Tulcea, dem rumänischen Ort am Delta, haben wir gehört, dass zahlreiche Anbieter direkt vor Ort, Touren ins Delta anbieten. Das haben wir uns auch hier erwartet. Da waren wir wohl mal wieder sehr blauäugig, ohne uns vorher darüber zu informieren. Hier gibt es tatsächlich NICHTS! Nichts und noch mal nichts! Enttäuscht stapfen wir wieder hoch in die Stadt und gönnen uns in einem netten Restaurant eine große Grillplatte.. Schön reden können wir uns das nicht, eigene Doofheit muss bestraft werden!  

Auf der Ausziehcouch in unserer Designerunterkunft liegen wir wie auf einem Holzbrett., dass die Nacht nicht gerade erholsam ist

Kurzerhand entschließen wir uns am nächsten Morgen weiter zu ziehen und die 15,- Euro für das Superapartment setzen wir gerne in den Sand. Bevor in Izmail die Zeit vertrödeln und erneut schlecht schlafen, fahren wir einfach Richtung Odessa und übernachten woanders, irgendwo am Meer! Ja, Meer und Strand tun uns jetzt sicher gut. Kurzerhand ist in dem Ferienort Satoka ein Hotel gebucht. Das Mini Hotel Valeria mit ausgezeichneter Lage 300 m vom Strand entfernt, freiem WiFi und free parking erwartet uns. Knapp 200 km sind noch zu bewältigen. Während der Fahrt träumen wir von Sonne, Strand und Meer und denken, dass das die absolut richtige Entscheidung war.

Das Minihotel Valeria befindet sich direkt an der Hauptstraße auf  einer Landzunge ca. 50 km südlich von Odessa, rechts und links von Meer umgeben. Wir fahren zu den angegebenen Koordinaten. Etwas ratlos stehen wir genau an dem Punkt, den das Navi uns als Ziel vorgegeben hat. Wir könnten auch einen der vielen Fußgänger fragen, aber das scheinen alles Touristen auf dem Weg vom oder zum Strand zu sein, die uns bestimmt nicht weiterhelfen können. Es kommen genau 3 Häuser in Betracht, auf Zweien entdecken wir sogar die Hausnummern und machen das etwas nach hinten Versetzte als das Wahrscheinlichste aus. Wir klingeln und ein Eisentor geht auf, ein schmächtiger, dunkelhaariger Mann kommt heraus und wir fragen wie aus einem Mund : "Minihotel Valeria?"... "Da, da...ja,ja", nickt er freundlich und winkt uns hinein. Wir sollen unsere Motorräder auf der Terrasse abstellen. Eng geparkt stehen 4 Autos in der Einfahrt, jeweils 2 nebeneinander, an denen wir uns millimetergenau vorbeiquetschen müssen. Dann sollen wir eine hohe Schwelle erklimmen, um auf die Veranda zu gelangen. Eine enorm hohe Schwelle! Mein lieber Mann schüttelt, diese Stufe betrachtend, ungläubig den Kopf, aber auf Drängen des Mannes - wir erfahren nebenbei, dass er Vitaly heißt - versucht er sein Glück. Ich kann nur noch mehr den Kopf schütteln. Mit dem Vorderrad kommt er schon mal hoch, aber keine Chance mit dem Hinterrad, er steckt fest zwischen Terrasse und parkenden Autos. Vitaly greift an die hinteren Kofferhalterungen und will das Motorrad von hinten hinauf hieven. Ich beobachte diese absonderliche Situation und kann leider nicht anders: Ich muss lachen! Das sieht so lustig aus, wie Vitaly vergebens versucht, ein über 300kg schweres Motorrad anzuheben. Nachdem Bert ihn mit "No" und "Niet" energisch angeschrien hat, gibt er endlich auf und lässt ihn samt "Harry" zurückrollen und wir dürfen zwischen den 4 Autos parken. Wir marschieren zur Rezeption. Diese Rezeption ist eigentlich eine Küche und hinter dem Esstisch, der sowohl als Schreibtisch als auch Bügeltisch dient, sitzt, nein thront Valeria. Sie hat hoch toupierte, blonde Haare, lange, angeklebte, künstliche Wimpern, wie sie bei uns auch gerade so in sind und eine sehr kurvige, ausladende Figur. Von ihr erhalten wir den Schlüssel zu unserem Zimmer mit Meerblick und schleppen über enge Außentreppe unser Gepäck hoch in den 3.ten Stock. Auf den ersten Blick sagen wir: "es ist ausreichend für eine Nacht!". Wir haben ein frisch bezogenes Bett, einen Fernseher, einen Kühlschrank und ein Badezimmer mit Duschwanne ohne Waschbecken. Ja,... OHNE!!!!... Waschbecken, denn das hat man beim Bau mangels Platz wohl weg lassen müssen. Zähneputzen und Händewaschen müssen wir über der Sitzbadewannendusche.

Nachbarn haben wir auch. Die sehen wir zwar nicht, können sie aber gut hören, denn die Wände im Minihotel Valeria sind sehr dünn. Wir verstehen jedes Wort, zwar nicht inhaltlich aber akustisch sehr deutlich. Es scheint eine Familie mit kleinen Kindern zu sein, die zu unserem Entsetzen auch noch Musik hören. Eine Mischung aus Russenpopp und Techno schallt durch die Wand. Die Lautstärke ist auch nicht gerade gedämpft, die Bässe wummern! Unglaublich, wie kann man den armen Kinder so etwas zu muten. Dann... Hilfe!... Was ist das ? Ein Zug mit vielen Waggons scheint durch unser Zimmer zu donnern!... Dass Bahnschienen direkt hinter unserem Minihotel Valeria verlaufen, bemerken bzw. hören wir erst jetzt! Der Zug übertönt die Technobässe! Oje, ich denke schon an die Zukunft, nämlich an die kommende Nacht.

Was soll`s, wir sind am Meer und wollen uns doch nicht von solchen Banalitäten die Laune verderben lassen! Vom dritten Stock aus erspähen wir sogar hinter einer wilden Müllkippe ein kleines Stück Meer! Zimmer mit Meerblick halt!

Schnell sind wir umgezogen, es ist nachmittags und wir begeben uns an den Strand. Wenigstens die in der Beschreibung des Hotels angegebene kurze Entfernung zum Strand scheint stimmt.

Die ganze Ukraine scheint genau an diesem Strandabschnitt Urlaub zu machen! Aufgrund von Corona bleibt man wohl auch hier lieber im eigenen Land. Ein freies Plätzchen finden wir dennoch für unsere Handtücher auf dem feinen Sand. Ein kühles Bad im Schwarzen Meer wird uns guttun und so wollen wir uns gleich in Fluten stürzen. Auffällig wenig Menschen sind im Wasser. Als wir mit den Füßen in den Wellen stehen, bemerken wir dicke, fette Quallen! Es scheinen zwar keine Feuerquallen zu sein, aber die Lust am Schwimmen vergeht uns denn noch! Na, dann wenigstens ein Sonnenbad und Leute beobachten! Viele fliegende Händler bieten per Megafon ihre Delikatessen an: Maiskoben, Gebäck, Chips und getrocknete Fische, die an einem Band wie Schmuck um den Hals getragen werden. Kinder buddeln im Sand oder spielen mit den aus dem Meer gefischten, glibbrigen Quallen. Ein Mann hat sich sogar ein großes Stalinporträt auf die Brust tätowieren lassen. Einige haben ihre kleinen Hündchen dabei. Wer etwas auf sich hält hat so ein Tierchen und wir vermuten, dass kleine Hunde als Statussymbol dazuzugehören. Am beliebtesten sind Yorkshireterrier, die von einem Hundefrisör gestylt wurden: Kahl rasiert am Körper, dafür Kopf und Beine schön gekämmt und das obligatorische Haarspängchen darf natürlich nicht fehlen. Auch Rehpinscher stehen hoch im Kurs, dicht gefolgt von Möpsen.

Nach einer Stunde Sonne und Leute beobachten haben wir genug, Es ist ohnehin bald Zeit fürs Abend essen. Valeria erklärt uns den Weg, wo es Restaurants und Shops geben soll. Eigentlich brauchen wir nur die Bahngleise überqueren und den Massen hinterher laufen. Nach ein paar Minütchen Fußweg befinden wir uns auf der Partymeile von Satoka. Imbissstände, Bars, Cafés, Restaurants und Souvenirläden reihen sich aneinander. Partymusik schallt aus sämtlichen Lautsprechern, einer lauter als der andere und jeder ein anderes Lied und die ganzen Melodien verschmelzen am Ende miteinander. Es herrscht ein Geschiebe und Gedränge. Maske trägt hier so gut wie niemand. Wir aber fühlen uns sicher mit unserer Impfung und immerhin befinden wir uns an der (frischen) Luft.

So haben wir uns das nicht vor gestellt!... Aber was haben wir uns denn eigentlich vor gestellt? Dass wir mitten in der Hochsaison im August und noch dazu zur Ferienzeit an der einzigen, recht kurzen Schwarzmeerküste der Ukraine einen ruhigen Ort nur für uns ganz alleine finden würden? Jaja, auch das hätten wir wohl vorher besser wissen müssen!

Gut, dass wir über uns selbst lachen können und unseren Humor nicht verlieren!

Auf der Terrasse eines halbwegs ruhigen Restaurants essen wir wenigstens gut.

Die Nacht ist dann wirklich recht kurz, zwar haben die Nachbarn die Musik abgedreht, aber von 5.00 bis 8.00 Uhr rattern an die Hundert Züge durch unser Zimmer. Selbst das Haus vibriert! Die gute Valeria hat uns ein deftiges Frühstück bereitet und was sehen wir da? Unsere Tassen sind mit Kaffee gefüllt! Nach dem ersten Schluck vergeht uns dann auch gleich wieder unsere Kaffeelaune, denn es handelt sich bei diesem Getränk um Karokaffee oder Muckefuck, egal wie es heißt, eben dieser komische Malzkaffee, einer Erinnerung aus der Kindheit. Dazu ist er noch stark gesüßt. Valeria hat auch nicht an Fett gespart, zum Muckefuck gibt es triefendes mit dicken Mortadellastücken  gespicktes Omelett und 4 Weißbrothäppchen mit diesem auch bei uns bekannten, rotem Kaviarersatz.

Wir würden Zuhause bleiben wenn wir alles so hätten wie Zuhause! Also, wir beschweren uns nicht über Muckefuck und herzhaftes Frühstück...

Die kurvige Valeria drückt uns noch zum Abschied an ihre üppige Brust und Vitaly hilft beim Rangieren.

Unser nächstes Ziel und hoffentlich dann auch wirkliches Highlight, ist das nicht weit entfernte Odessa.

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Kommentare: 5
  • #1

    Heidrun (Samstag, 14 August 2021 22:09)

    …es bleibt spannend…

  • #2

    Sylvia (Sonntag, 15 August 2021 09:53)

    Was ihr so alles erlebt, da habt ihr bestimmt noch lange von zu erzählen...
    Wir drücken Euch ganz lieb und passt bitte weiter auf Euch auf!

  • #3

    Bernd Rose (Sonntag, 15 August 2021 11:42)

    Hallo,
    Eure Berichte sind sehr interessant, realistisch und schön geschrieben. Ich bleibe weiterhin dran und wünsche Euch eine schöne Tour mit vielen tollen Erlebnissen.

    @berndroseexpress

  • #4

    Sabine (Sonntag, 15 August 2021 12:01)

    Ihr Lieben! Ich weiß schon, warum ich in Dänemark Urlaub mache!����

  • #5

    Maik und Elke (Sonntag, 15 August 2021 15:15)

    � herrlich, wir haben so gelacht wie du es beschreibst. Als wäre man dabei. Danke fürs mitnehmen. Herzliche Grüße aus Schkeuditz