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Albanien/ Montenegro/ Bosnien-Herzegowina



Staatenhüpfen


Den wunderschönen Ohridsee mit seinem glasklarem Wasser verlassen wir am nächsten Morgen und fahren entlang der albanischen Grenze, bis zum eigentlichen Grenzübergang sind es knapp 70 Kilometer. Am Morgen, wenn es noch nicht so heiß ist, nimmt Sally die Berge noch mit Leichtigkeit. Wir hatten uns schon gefreut, dass in Nordmazedonien nicht so viel Müll herumliegt, aber bei einem Stopp mit grandioser Aussicht in eine Schlucht, vermiest uns eine wilde Müllkippe den wundervollen Ausblick. Von vollgesch... Windeln, über normalen Hausmüll bis hin zu Autoreifen findet sich einfach alles. Der Gestank beißt in unseren Nasen. Es ist einfach ekelhaft! Leider gibt es keinen Riechblog, denn den Geruch würde ich euch jetzt gerne antun!

Immer wieder stellt sich uns die Frage, warum Menschen so etwas tun? Funktioniert die hiesige Müllabfuhr nicht?  Ist sie zu teuer? Existiert sie vielleicht gar nicht? Oder haben die Menschen einfach Null Umweltbewusstsein, dass es ihnen schlichtweg egal ist, die Hauptsache er liegt nicht vor der eigenen Tür!?...

Am kleinen Grenzübergang Blato bei Debar ist wenig los und auch hier ist der Grenzübertritt eine Frage von Minuten.

Albanien, einst das Nordkorea Europas, in das man nur mit Sondergenehmigung einreisen dufte, war damals strenger und kommunistischer als die Sowjetunion. Mit dem Zusammenbruch des gesamten Ostblocks öffnete sich das Land mehr und mehr und was noch vor ein paar Jahren als absoluter Geheimtipp galt, ist heute längst keiner mehr.  Es gibt sich offen und wirbt mit Sandstränden, Badebuchten, unberührter Natur und dem Nationalpark Burtint im Innern des Landes. Der ehemalige, bereits in den 80igern des letzten Jahrhunderts verstorbene Diktator Enver Hoxa isolierte nicht nur das gesamte Land und schirmte sich nach außen ab, sondern übersäte auch das gesamte albanische Territorium aus Angst vor einer kapitalistischen Invasion mit über 200000 Bunkern, von denen noch Viele erhalten sind und man Einige auf einer Bunkertour besichtigen kann. 

Wir allerdings haben nur einen Kurztrip in den Norden des Landes vorgesehen. Unser nächster Übernachtungsstopp liegt am Badestrand von Shengjin.

Die Straße Richtung Shengjin ist zunächst gut ausgebaut. Wir freuen uns aber zu früh, denn es wird immer abenteuerlicher. Wir müssen uns über Bergkämme mit Haarnadelkurven kämpfen.  Die Straßen sind zwar geteert, weisen aber riesengroße Schlaglöcher auf, denen wir ständig ausweichen müssen. Der Asphalt ist teilweise aufgerissen und die Fahrweise albanischer Autofahrer tut noch ihr Übriges dazu. Entweder ist es die rasante Fahrweise der PKW-Fahrer, die keine Furcht zu kennen scheinen und in den engen Kurven das Überholen nicht scheuen. Der Gegenverkehr wird einfach mit lautem Hupen gewarnt. Oder es sind die im Schritttempo fahrenden LKWs mit ihren alten, stinkenden Diesel, deren Auspuffe dicken Qualm ausspucken und wir in einer schwarzen Dunstglocke hinter ihnen her tuckern. Wir überholen sie sicherheitshalber nicht. Mein Mann flucht zurecht laut in sein Mikro. Ich wusste gar nicht, dass er so viele Schimpfwörter kennt!

Sally schnauft ganz schön! Ihr rotes Warnlämpchen scheint Dauer zu leuchten. Bei den starken Anstiegen braucht sie mehrere Pausen, die aber auch uns gut tun.

Ziemlich erschöpft kommen wir an unserem Ziel an. Von unserem Balkon in dem kleinen, einfachen und schnörkellosen Neonlichtapartmenthotel können wir auf den Strand blicken. Schnell werfen wir unsere Badesachen an und springen ins Meer, das auch hier ziemlich seicht ist. Das Salzwasser spült nicht nur unseren Schweiß ab sondern nimmt uns auch den eben erlebten Stress.

Beim Spaziergang fällt uns auf, dass hier große Hotelburgen dicht an dicht stehen, soweit das Auge reicht. Den ganzen feinen Sandstrand stehen auch die Liegen dicht an dicht. Befinden wir uns im Rimini Albaniens ? ... Es sieht so aus! Zum Glück ist der Strand nicht überfüllt, entweder coronabedingt oder es geht schon Anfang September dem Ende der Saison entgegen. 

Den Sonnenuntergang lassen wir uns natürlich nicht nehmen, denn egal, wie viele wir bisher erlebt haben, ist er doch immer schön, besonders an einem Meeresstrand!

Gerne hätten wir die albanische Küche ausprobiert, aber leider finden wir außer Pizzerien nichts anderes. Aber wir sind im Laufe der Zeit anspruchslos geworden, wir nehmen, was wir bekommen! Aber diese Pizza schmeckt köstlich und ist noch sehr günstig dazu.

Sicher hat Albanien viel, viel mehr zu bieten als diesen zugebauten Strandabschnitt.

Wir aber fahren nach diesem einen Tag wieder raus und begeben uns Richtung Montenegro.

Noch auf albanischer Seite müssen wir wieder Sally`s wegen einen längeren Stopp machen. Obwohl sie uns immer aufhalten,  tun auch uns diese Pausen immer wieder gut, vor Allem an besonderen kleinen Plätzen wie diesen hier, auf den Bergen Albaniens.

Wenn es wieder runter geht, bremst der Motor mit, ich muss kein Gas geben und sie rollt dann meist entspannt bergab und ihr Lämpchen geht wieder aus. 

Und wieder ist da so eine Grenze, dieses Mal die Montenegrinische! Wir hüpfen nur so durch diese kleinen Länder des Westbalkans. Ohne großen Tamtam lässt man uns auch hier schnell und unkompliziert aus- und einreisen. Wir müssen meist nur Pass und Fahrzeugpapiere plus Impfausweis vorzeigen und wir sind durch!

Montenegro, lange zu Serbien gehörend, ist erst seit 2006 unabhängig. Es ist etwas kleiner als Schleswig Holstein und zählt somit zu den kleinsten Staaten Europas. Von der Hauptstadt Podgorica haben wir noch nie gehört. Gut zu wissen, diese ist aber nicht unser Ziel sondern die bekannte Bucht von Kotor. Diese fjordähnliche Bucht zieht jährlich viele Touristen an und auch wir gehören dieses Jahr dazu. 

Aber auch hier heißt es wieder zunächst Berg auf, Berg ab.  Ich muss mich jetzt nicht wiederholen und erzählen, dass wir wieder unzählige Stopps einlegen müssen. So lange das so heiß ist und wir viele Steigungen fahren, ist das unumgänglich. Auch kurzes Anhalten wie z. B. an Ampelkreuzungen oder im Schneckentempo durch Städte fahren, sind nicht besonders gut für den Motor. Erst Zuhause wird sich herausstellen, was die gute alte Dame zu ihren Hitzewallungen bewegt hat. 

Wie der Name des Landes verrät, besteht Montenegro größtenteils aus Gebirgsland. Als wir mal wieder einen Berg erklommen haben und hinunter blicken, fällt unser Blick auf die Bucht, auf die Bucht von Kotor! Ein absolut grandioser Blick!

Wir schlängeln uns wieder hinunter bis zur kleinen Stadt Bar und folgen dann dem Verlauf der Straße direkt am Meer entlang. Bis zu unserem Ziel, der kleinen Stadt Perast, ist es nicht mehr weit, der Verkehr ist aber so dicht, dass wir nur müßig voran kommen.

Perast liegt etwa genau in der Mitte zur Einfahrt in die Bucht und zählt nicht mehr als dauerhaft 400 Einwohner. Als wir die Uferpromenade entlang fahren, bemerken wir, dass mindestens doppelt so viele Touristen diesen kleinen Ort bevölkern!

Hier haben wir wieder ein Apartment gebucht. Ein Apartment der besonderen Art, denn es befindet sich in einer restaurierten Villa aus dem 16. Jh. und dessen Inhaber David erwartet uns bereits schon am frühen Nachmittag. Einen Parkplatz für Harry und Sally in der engen mit PKWs zugeparkten Gasse zu finden, ist nicht einfach und als wir mit unserem Gepäck noch viele Stufen erklimmen müssen und uns der Schweiß auf der Stirn steht, befürchten wir fast schon wieder einen Reinfall. Was haben wir schon in herunter gekommenen Absteigen übernachtet! Aber als David uns die Tür öffnet, können wir unsere Augen kaum trauen.  Hier empfängt uns eine wirklich geschmackvolle mit Stil und Liebe zum Detail eingerichtete Ferienwohnung. Hier passt alles, die Farben sind aufeinander abgestimmt von der Bettwäsche bis zu den Handtüchern. Es gibt genügend Besteck, Geschirr und vom Geschirrspüler bis zur Waschmaschine hat es einfach alles. Grandios ist die Aussicht aus dem Fenster mit direktem Blick auf die Bucht und auf die 2 Klosterinseln vor Perast. Uns ist sofort klar, hier möchten wir einen Tag länger bleiben. David bestätigt uns unsere Extrabuchung und wir können so richtig unsere Seele baumeln lassen. Wir schwimmen, machen einen Bootsausflug zur Klosterinsel und bummeln genauso wie die vielen anderen Menschen die Uferpromenade entlang.  Der kleine Ort leert sich am Abend. Wenn die Tagestouristen abreisen, wird es ruhig und noch idyllischer. Der nächste kitschige Sonnenuntergang erwartet uns.

Viele Restaurants direkt am Wasser erwarten ihre Gäste, zu denen auch wir gerne gehören. 

Frühstück bereiten wir uns selbst, das wir auf Davids wunderbaren Terrasse genießen können! Es ist schön warm, aber nicht zu warm, die Bucht glitzert und die vielen Boote schaukeln auf dem Wasser vor sich hin. Was will man mehr!

Ein unerwartetes aber absolutes Highlight, dass noch lange nachhallen wird!

Und schon ist es wieder Zeit, weiter zu ziehen. Wir fahren noch direkt ein ganzes langes Stück entlang der Bucht von Kotor. Die Straße führt direkt am Wasser entlang, perfekt für uns Motorradfahrer.

Unser nächstes Zielland ist Bosnien-Herzegowina. 

Montenegro entlässt uns ganz und gar ohne Kontrolle und dann passieren wir 2 Grenzen. Momentmal 2? Grenzen??? Nach einer kurzen Passkontrolle öffnet sich ein Schlagbaum und wir stehen vor einem Schild, auf dem steht: "Welcome to Republic of Srpska"... Wir überlegen gemeinsam: Heißt Bosnien und Herzegowina vielleicht in Landessprache Srpska?... Nein, das wüssten wir! So ein langes Landeswort reduziert auf ein paar unaussprechliche Buchstaben! Kann nicht sein! ... Wir befinden uns an einem Länderdreieck, Kroatien ist nicht weit! Zwar ist die Republik Kroatien in Landessprache unaussprechlich für uns, aber das Wort kennen wir: Republika Hrvatska. Außerdem würden die Kroaten doch mehr bei der Einreise in die EU kontrollieren. Nein, das kann alles nicht sein!... Sind wir zu wenig informiert?... Peinlich!... Ein paar Meter weiter und wir stehen vor der eigentlichen Grenzstation zu Bosnien und Herzegowina. Eine kurze Kontrolle und wir sind wieder einmal durch! So langsam kommt man echt durcheinander mit diesen vielen kleinen Balkanstaaten!

 

(Wir befragen später Herrn Google. Hier schon einmal die Auflösung, oder kennt jemand von euch die Republik Srpska? :

Laut Wikipedia handelt es sich bei der Republik Srpska um eine sogenannte Entität (Gliedstaat oder auch Teilstaat), ist also nach unserem Verständnis ein Staat im Staat, ähnlich einer Föderation. Sie hat eine eigene Verfassung und ein eigenes Parlament. Ihre Hauptstadt ist Sarajewo, die außerhalb ihres Gebietes liegt, die Stadt Baja Luka ist Verwaltungssitz.)

Reisen bildet!!!

 

Die Stadt Mostar, die im Bosnienkrieg 1992- 1995  Symbol der Zerstörung war, erreichen wir früh. Hier haben wir uns oberhalb der Altstadt ein kleines Apartment für eine Nacht gemietet. Der Vermieter spricht - wie so Viele hier - deutsch, denn in seiner Kindheit war er mit seinen Eltern vor dem Krieg nach Deutschland geflohen und hat dort eine Zeit seiner Kindheit verbracht.

Die Unterkunft ist schlicht, etwas typisch balkanesisch, nicht besonders liebevoll eingerichtet, aber sauber und vor Allem mit genügend Platz zum Ausbreiten. 

Mostar geriet in diesem schrecklichen Balkankrieg vollkommen unter Beschuss und wurde in 2 Teile geteilt, einem Östlichen, der von der Bosnischen-Herzegowinischen Armee kontrolliert wurde und einem Westlichen, der Kroatisch kontrolliert wurde. Sämtliche Brücken wurden zerstört. 1995 endlich endete der Krieg durch das Daytoner Abkommen, 2000 Menschen starben in Mostar während dieser Zeit.

Die Alte Brücke und das historische Viertel drum herum wurden - zum Glück - ab 1996 aufwändig wieder aufgebaut. Heute ist diese Brücke und die Altstadt ein beliebtes Touristenmagnet. Wir hören Sprachen dieser Welt: Englisch, Italienisch, Deutsch... und schreiten diese Brücke gemeinsam mit vielen anderen Menschen auf und ab. Wir essen in einem, der vielen wunderbar am Flüsschen Neretva gelegenen Restaurants, eine dicke Fleischplatte.

Kaum vorstellbar, dass hier vor nicht einmal 20 Jahren ein schrecklicher Krieg wegen ethnischer Unterschiede ausgefochten wurde.

 

Wir haben gefallen gefunden an der Republik mit dem lustigen Namen Srpska und planen noch eine Nacht ein und zwar in der kleinen Stadt Modrica, nicht weit entfernt von der Kroatischen Grenze. Wir schlängeln uns von Süd nach Nord, es ist nicht mehr ganz so heiß und die Berge sind nicht mehr ganz so steil und hoch, so dass auch Sally alles ohne Probleme schafft.

Unsere Unterkunft lässt uns ein wenig an eine deutsche Einfamilienhaussiedlung erinnern. Eine 2-Zimmerwohnung, das Wohnzimmer mit Velourcouchgarnitur, einer Schrankwand in Buche-Optik und Laminatfußboden. Das Schlafzimmer mit Doppelbett auch in Buche-Optik, dazu den passenden Kleiderschrank und Rollläden an jedem Fenster. Frauen aus den Nachbarschaft stehen am Gartenzaun zusammen und halten einen Schwatz, Rasenmäher klingen im Kanon.... Ein seltsamer Klang! Wir haben lange keine Rasenmähergeräusche mehr gehört! Das Gefühl des langsam Nachhausekommens wird durch diese seltsame Atmosphäre hier in Modrica, in Srpska, in Bosnien-Herzegowina verstärkt. Obwohl wir uns noch eine Woche Zeit geben wollen, überkommt uns ein sehr seltsames Gefühl.

Wir suchen lange nach einem Restaurant bis wir auf "Alexander Grill" stoßen. Wir finden den letzten Platz an einem der wenigen Tische des kleinen Lokals, dass voll besetzt ist. Wir lernen Aleksander höchst persönlich kennen. Er steht am offenen Grill seines Ladens, in einem weißen, durchgeschwitzten T-Shirt. Mit rundlichem Bauch, so wie es sich für einen Wirt gehört, begrüßt er uns persönlich, so wie wohl jeden seiner Gäste und ist hoch erfreut, denn er erzählt uns in einem fast akzentfreien Hochdeutsch, dass er im  Ratskeller in Clausthal-Zellerfeld im Harz, also ganz in der Nähe unserer Heimat, gearbeitet hat. Deutschland habe ihm zwar gefallen, aber der Lohn sei viel zu schmal für das teure Leben dort gewesen. Hier müsse er zwar mehr arbeiten, aber das Restaurant sei seines und seine persönliche Lebensqualität sei hier besser...!!!

Mit einem doppelten Sliwowitz verabschiedet uns Alexander.

Wir schlafen gut in unserer 2- Zimmerwohnung, können uns aber nicht gegen den Gedanken wehren:

Das Abenteuer ist zu Ende!

Was nun folgt, sind Tage des immer näher kommenden Zuhauses. 

Ungarns Balaton, wo wir schon seit unserer Kindheit unzählige Male waren, ist unser nächstes Ziel.

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Kommentare: 1
  • #1

    H. (Dienstag, 14 September 2021 09:05)

    Mostar….die Bilder gehen immer noch durch Mark und Bein…