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Astrachan - Samara



Die Wolga.... stromaufwärts durch die Provinz


Die schöne Stadt Astrachan verlassen wir Richtung Nordwesten und fahren bei Sonnenschein , vor Allem gut gelaunt und wunderbar angenehmer Temperatur am Kreml vorbei, dessen innere Türme richtig leuchten. Ein wahrer Augenschmaus!

Gleich hinter der Stadt beginnt Steppengebiet und wir fahren auf der Ostseite der Wolga Richtung Norden. Rechts von uns liegt nicht weit entfernt bereits Kasachstan. Das Land ist karg, ein paar Dörfer rechts und links der Straße bieten die einzige Abwechselung.

An einem unscheinbaren Schild mit dem der Aufschrift "Sarai - Batu" stoppen wir kurz. Sarai-Batu soll die Hauptstadt der "Goldenen Horde" gewesen sein. Der Wegweiser zeigt ins Nichts einer Sandpiste. Da hinten irgendwo soll eine stehen gebliebene Kulisse für gleichnamigen Film sein und soll Touristen dort hin führen.  Wir entscheiden uns, nicht dem Hinweisschild zu folgen , unbefestigte Straßen hatten wir genug! Außerdem ist das Thermometer in den letzten Stunden wieder kräftig gestiege. Unter anderen Umständen hätte ich mir das gerne angeschaut. Schade, aber wir wollen auch voran kommen und unser Ziel Achtubinsk zügig erreichen... Wer fährt schon nach Achtubinsk?! Achtubinsk ist eine Kleinstadt am linken Ufer der Achtuba, einem Seitenarm der Wolga, immer noch im Oblast Astrachan und ca. 30 km von der kasachischen Grenze entfernt... wer fährt schon nach Achtubinsk?!...  Ca. 50km von der Stadt entfernt soll sich Baskuntschak, ein großer Salzsee 21 m unter dem Meeresspiegel, befinden. Vielleicht sind wir so früh, dass wir einen kurzen Abstecher dorthin, vielleicht mit einem Taxi, machen können.

In der Tat kommen wir auf der einsamen, schnur geraden Straße mit wenig Verkehr gut voran und erreichen Achtubinsk wirklich am frühen Nachmittag. Als wir vorm Hotel stehen, fallen wir vor Schreck fast von unseren Maschinen. Ein verfallener, alter Sowjetbau soll unsere Herberge sein! Die bunten Blumenrabatten lenken leider nicht von der Fassade ab! Uns schwant nichts Gutes! Angespannt betreten wir diesen Bau. Hinter Glas (Panzerglas? ) befindet sich die Rezeption samt Rezeptionistin. Sie redet mit uns. Wir verstehen mal wieder nichts und reichen ihr, wie üblich, unsere Pässe samt Einreiseregistrierungskärtchen. (Ich ärgere mich, nicht ehrgeiziger diese Sprache gelernt zu haben... dass es einen Googleübersetzer offline zum Runterladen gibt, werden wir leider erst in den nächsten Tagen erfahren ;-)!) Ich habe da auch noch eine Frage?... "Wie bekomme ich Internet? WIFI? WorldWideWeb? " Während sie eine Menge Formulare für uns auszufüllen scheint und ihr Blick immer wieder zwischen Formular und aufgeschlagenem Pass hin und her schweift, findet sie einen Augenblick,mal kurz von ihrer Arbeit aufzuschauen. Sie lächelt uns an und zuckt mit den Achseln und gibt zu verstehen, dass sie nichts versteht! Das gibts doch nicht! Diese Worte müsste doch auch eine junge russische Rezeptionistin in Achtubinsk verstehen! Die meisten Hotels verfügen und werben mit freiem Zugang zum Netz, so auch dieses hier. Und in den meisten Fällen klappt das auch ohne Sprachkenntnisse. Also, ich versuchs nochmal und zücke mein Handy zur Demonstration. "Ich brauche das Passwort für Free Wifi! I need the password for free Wifi" Komisch, man geht ja immer davon aus, dass alle Menschen dieser Welt wenigstens ein paar Brocken Englisch verstehen! In Achtubinsk scheint das nicht der Fall zu sein. Mein Mann neben mir zuckt auch nur noch mit den Achseln. Und während ich nach neuen Formulierungen suche, kommt da Pavel um die Ecke, der uns in Form eines Englisch sprechenden, jungen Mannes über den Weg läuft. Den schickt uns der Himmel zum richtigen Zeitpunkt! Die Erlösung! Er hilft gerne, übersetzt und mir nichts dir nichts haben wir unseren Zimmerschlüssel in der Hand samt Passwort für eine perfekte Internetverbindung!... Marina, so heißt die Rezeptionistin wie wir in Erfahrung bringen konnten, lässt es sich nicht nehmen, uns höchst persönlich auf unser Zimmer zu begleiten. Wahrscheinlich sind wir die ersten Ausländer, die jemals dieses Hotel betreten haben. Marina geht lächelnd voran, sicher ein Highlight ihres Arbeitsalltages.

Oha!... Die Gänge zu den Zimmern in diesem "Bunker", wir nennen ihn fortan "KGB - Zentrale" ähneln dem eines Stasigefängnisses und wer schon einmal das Stasi Gefängnis in Berlin Hohenschönhausen besucht hat, wird beim Anblick dieser Gänge genau daran erinnert! Auch der Geruch dürfte in der KGB-Zentrale oder bei der Stasi nicht anders gewesen sein! Wir öffnen die Zimmertür und stellen uns auf das Übelste ein!... Wow!... Die Überraschung kann nicht größer sein! Es tut sich ein sauberes, renoviertes Zimmer auf, samt nagelneu gefliestem Bad! Wir sind begeistert! 

Als wir wieder nach unten gehen, treffen wir auf Pavel und kommen mit ihm ins Gespräch. Er kommt aus der Nähe von Moskau und arbeitet hier als Ingenieur in der hiesigen Militärbasis mit Jagdfliegerentwicklung- oder Produktion oder was auch immer... Er ist Geheimnisträger und darf nicht erzählen. Kein Problem, interessiert uns auch nicht. Achtubinsk ist ein wichtiger Luftwaffenstützpunkt und beheimatet eine Testpilotenschule, so bringen wir in Erfahrung.

Er lädt uns auf ein "Barbecue" mit seinen Kollegen am Grillplatz vorm Hotel ein. In den meisten kleinen Hotels auf dem Balkan und in den ehmaligen Sowjetrepubliken ist es kein Problem, sein mit gebrachtes Essen zu verzehren, oft gibt es sogar eine Gemeinschaftsküche oder wie hier sogar einen Außengrill und Sitzplätze für den Eigenbedarf. Dort wird schon kräftig gefeiert. Das können wir nicht abschlagen und verzichten auf den Salzseebesuch. Es ist noch früh am Abend, aber der Alkoholpegel einiger Kollegen ist schon ziemlich am Limit. Wir gesellen uns zu dieser Truppe. Essen wird maßlos und im Überfluss aufgetischt. Der Tisch biegt sich nicht nur vor Essen sondern auch vor Wodkaflaschen, die bis zum Abwinken gekippt werden! Uns werden auch Plastikbecher voll mit diesem durchsichtigen "Getränk" gereicht. Es entstehen Gespräche aus einem Gemisch aus Englisch, ein paar Brocken Russisch, Gesten mit Händen und Füßen. Diverse Trinksprüche (Trinksprüche sind in Russland Tradition und ein Muss) machen die Runde: auf "Druschba" (Freundschaft), auf Russland, auf Deutschland, auf die russische Gastfreundschaft, auf Russland und Deutschland, auf die russisch/deutsche Drushba... etc. Wir benetzen aus Höflichkeit unsere Lippen, ich bringe dieses Gesöff nicht runter ohne gleich umzufallen und unter dem Tisch zu liegen. Bert trinkt zum Schluss dann doch noch seinen Becher leer! Irgendwo haben wir mal gelesen, man sollte nie einem Russen die Stirn in Sachen Alkoholkonsum bieten, man verliert immer! Aber dieses Spiel wollen wir nun wirklich nicht spielen! marina bringt sogar zwischendurch, extra für uns, noch Platten voll mit russischen Spezialitäten aus dem Hotelrestaurant. Mit einem Lächeln auf den Lippen, das wir vorhin schon kennen gelernt haben. Wir sind schwer beeindruckt von der überwältigenden Gastfreundlichkeit! Was für ein spontan, fantastischer Abend, den wir nicht vergessen werden. Dieser hat ganz sicher  der "Druschba" gedient! Vielen Dank!

Fast ungern verlassen wir unsere  KGB - Zentrale samt Pavel, seinen Kollegen und auch Marina.

Unsere nächsten Übernachtungen sind Städte, wo wir letztes Jahr schon einmal waren, Kamychin, Balakovo und die Großstadt Samara. Zur Abwechselung haben wir dieses Mal andere Hotels gebucht.

Ziemlich starker Verkehr führt uns an Wolgograd vorbei. In der Ferne können wir sogar die "Mutter-Heimat-Statue" sehen. Ohne Besonderheiten erreichen wir Kamychin. Kamychin ist eine mittlere Großstadt und wir freuen uns auf ein Hotel direkt am Fuße der Wolga. Heute ist es genau umgekehrt als gestern. Die Fassade sieht trotz Plattenbau ganz ansprechend aus und macht einen gepflegten Eindruck. Die Lage wunderbar, direkt an der Wolga!  Alles ist vergammelt, alles müffelt. Der Teppich uijuijui, wer weiß, was für Geheimnisse er verbirgt, übersät mit Flecken undefinierbarer Herkunft. Das Bad.... guäh, ich bin kurz vorm Ekel empfinden!... Wenigstens scheint das Bett mit frischer Bettwäsche bezogen zu sein! Dann folgt das übliche Ritual: Duschen (versteht sich mit Latschen), kleiner Spaziergang (schön an der neuen, teils noch im Bau befindlichen Wolgapromenade) und Essen im Städtchen.

Dieses Jahr ist es wirklich sehr krass und eigentlich unverständlich mit den Hotels. Obwohl wir immer die gleiche Preisklasse gebucht haben, bei immer dem gleichen Buchungsportal. es ist jedes Mal wie ein Lotteriespiel und immer wieder spannend. Die Bandbreite ist von super gut und hohem Standard bis hin zu grottenschlecht, schmuddelig und verrottet!

Am nächsten Morgen führt uns wieder eine ohne besondere Vorkommnisse Etappe nach Balakovo. Balakovo liegt am linken Wolgaufer im Oblaast Saratow und ist eher bekannt für das nahe gelegene Kernkraftwerk als für seinen Liebreiz.

Hier kommen wir im Hotel Beleg unter, wieder das krasse Gegenteil. Innen wie außen gepflegt und sauber, wir fühlen uns gleich wohl, noch dazu ein herzlicher Empfang. Wir machen wie immer einen kurzen Spaziergang, das tut immer gut nach der langen Sitzerei auf dem Motorrad und essen im Hotel. Extra für uns hat das Hotelpersonal Auszüge der Speisekarte mit dem Googleübersetzer übersetzt und ausgedruckt. Wir brauchen nur ankreuzen, was wir möchten. Genial! Sowas hatten wir auch noch nicht!  Wir sitzen draußen in einem mit Pflanzen geschmackvoll gesalteten Innenhof und gneißen den lauen Sommerabend, alles ist wunderbar! Nach ein paar Minuten kommt die Bedienung an unseren Tisch und reicht uns einen Zettel mit der Aufschrift in Deutsch: "Entschuldigung, Ihr Essen verzögert sich um 20 Minuten!" Wow... so geht Verständigung auch! Da warten wir doch gerne etwas länger!

Dann steht Natalia vor uns. Sie spricht Deutsch und ist gerne beim Übersetzen behilflich. Sie freut sich, mal Deutsch sprechen zu können. Wir erfahren, dass sie früher als Übersetzerin gearbeitet hat. Nach diesem kurzen Gespräch, habe ich ihre Telefonnummer in der Hand... falls wir mal Hilfe bräuchten! Diese Freundlichkeit ist umwerfend und erstaunt uns jedes Mal von Neuem. Auch die Frau an der Rezeption ist so erfrischend, natürlich und  herzlich, dass wir uns am nächsten Morgen zu einer kleinen Fotoselfiesession verabreden.

Beglückt von so viel Herzlichkeit, verlassen wir Balkovo. Die Landschaften wechseln auch, langsam wird alles grüner und die ersten Sonnenblumenfelder tauchen auf und leuchten wunderschön knatschgelb bis zum Horizont. Die Strecke bis Samara ist leider teilweise in einem desolaten Zustand und wir hoppeln und holpern Schlagloch um Schlagloch Richtung Norden. Aber das macht es gerade wieder aus. Nicht die schnurgeraden gut ausgebauten Straßen sind es. Es sind die kleinen Landstraßen entlang kleiner Dörfer, deren Namen nur ihre Einwohner kennen, die uns so verzücken. Kühe grasen am Wegesrand. Mal hier ein Mensch, mal da ein Mensch. wie mögen sie wohl wohnen? Was mögen sie wohl denken? Haben sie die gleichen Wünsche und Sorgen wie bei uns zu Hause die menschen in den Dörfern deren namen nur sie knnen? Sie huschen an uns vorbei. Was bleibt ist unsere Erinnerung an kleine Dörfer zwischen Balakovo und Samara!

Die Millionenstadt Samara dient uns diesmal nur zur Durchreise. Wir sind wieder früh dran und  wollen unbedingt das Raumfahrtmuseum, was letztes Jahr geschlossen war, besuchen. Von Außen wirkt die große Sojusrakete ziemlich gigantisch und wir sind gespannt auf das Innere des Museums. Wir sind schnell durch und etwas enttäuscht ob der Kleinheit. Aber wenigstens gibt es ein paar englischsprachige Tafeln. Die ruhmreichen Kosmonauten im Dienste der Wissenschaft, einzig und allein für die große Sowjetunion... Hier in der Nähe landete Juri Gagarin 1061 mit seiner Wostok 1. Der erste bemannte Weltraumflug!

Morgen dann geht es  weiter zum nächsten Highlight: Kasan, Hauptstadt der Tataren mit einem weiteren freien Tag.

Die Temperaturen sind ein wenig gefallen, es ist trotzdem sehr angenehm bei knapp über 20 Grad zu fahren.

Die Prognosen sehen leider nicht so gut aus, Regen ist angesagt...


...UND MEINE FREUNDIN HEIDRUN HAT GEBURTSTAG!... Alles Gute, Bella Bionda, dieser Blog ist dir gewidmet, schön, dass du mitreist!

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Kommentare: 1
  • #1

    Heidrun (Freitag, 02 August 2019 08:18)

    ❤️