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Türkei II, Elazığ und warum wir einen Auftritt im Lokalfernsehen hatten



Elazığ hat heute knapp eine halbe Million Einwohner, es liegt im unteren Euphrattal in Ostanatolien auf 1067 m.

Die Stadt liegt eigentlich nicht auf unserer Route. Ursprünglich wollten wir vom Südwestufer des Vansees direkt nach Mardin, der Stadt im Südosten unweit der syrischen Grenze, von der wir schon so viel gehört haben, aber wie bereits berichtet machen wir gerne einen kleinen Umweg. Denn hier wohnt eine Familie, die uns eingeladen hat, sie zu besuchen. Auf unserer Tour 2023 half uns Kamil - ganz unkompliziert, wie es hierzulande üblich ist - als wir total verloren auf einer Schotterpiste, den Weg verloren hatten hatten. Wir tauschten unsere Kontaktdaten aus, hielten Kontakt und als er hörte, dass wir erneut durch die Türkei reisen wollen, war es schon im Vorhinein klar, wir machen diesen kleinen Umweg und besuchen Kamil und seine Familie.

Und nun befinden wir uns auf dem Weg nach Elazig. Kurz hinter Tatvan gibt es einen größeren Stau, weil sich die Fahrbahn verengt. Wir als Motorradfahrer sind ja nicht ganz so breit und kämpfen uns durch jede Lücke und versuchen so, etwas zügiger durchzukommen. Das versuchen auch die Autofahrer, selbst Kleintransporterfahrer quetschen sich in jede Lücke, die sie sich ergattern können, es werden aus den zwei Spuren, Viere, um dann letztlich wieder eine zu werden.. Das wiederum forciert einen noch größeren Stau und von Einfädeln hat hier wirklich noch niemand etwas gehört.

 

Auf der D600 geht es über Mus und Bingöl Richtung Elazığ. Die Temperatur klettert bis auf 40 Grad. Teilweise ist der Asphalt geschmolzen und klatschert richtig unter den Reifen. "Bloß jetzt nicht schlapp machen, lieber Paul!" Er scheint uns zu hören und tut was er kann, aber ca 50 Kilometer vor Elazığ dann , fängt er doch an zu streiken. Erst ganz zaghaft ein Aussetzer, 35 Kilometer nichts und dann immer wieder einer nach dem anderen, so dass wir uns nur auf dem Standstreifen fort bewegen. Wir retten uns an die nächste Tankstelle. Noch 15 Kilometer bis zum Treffpunkt mit Kamil an einem Busbahnhof außerhalb der Stadt. Noch 15 Kilometer! "Bitte, bitte, lieber Paul!" Vielleicht hilft es ja, ihm  gut zu zu reden! Meinem Mann ist jetzt wirklich nicht zum Scherzen aufgelegt als ich tasächlich so mit seinem Motorrad rede. ! Wir tanken nach und schlagen uns weiter durch, mit Warnblinklichtanlage auf dem Standstreifen.

Perfekt beschrieben! Direkt an der Ausfallstraße Richtung Malatya auf dem großen, fast leeren Parkplatz erkennen wir sofort den blauen Renault. Wir haben uns vor zwei Jahren ja nur zweimal ganz kurz gesehen, später dann über WhatsApp Kontakt haben wir uns öfters voneinander gehört. Und jetzt stehen wir uns gegenüber. Sein Sohn Ahmet und sein Schwager Fatih sind auch da. Die Begrüßung ist herzlich und wir überfallen ihn gleich mit unserem Problem. Wir wissen ja, dass er nur wenig Englisch spricht. " Motorcycle problem, yes, Bert problem, no!" sagt er und lacht. Er bringt uns jetzt zum Hotel, was er für zwei Nächte für uns gebucht hat. Wir sind seine Gäste! Wir wehren ab! Aber natürlich, keine Widerrede! Das Hotel sei ca. 10 Kilometer entfernt! Wir runzeln die Stirn. Ob Paul das wohl schafft? Wir werden in die Mitte genommen, Kamil fährt voran, Fatih mit seinem Wagen hinten dran. Okay, uns bleibt ja nichts übrig! Es geht durch dicken  Stadtverkehr und ich habs wirklich nicht gezählt, wie oft Pauls Motor ausgegangen ist! Immer wieder höre ich wie Bert neu startet! An, aus, an aus! Diverse Male fahren wir vier Fahrzeuge rechts ran. Berts schweres Atmen höre ich an meinem Ohr. Von der Hitze ganz zu schweigen, hoffentlich sind wir bald da! Das Hotel liegt ziemlich weit oben auf einem Berg. Wir sehen es von Weitem! Da hoch? Auch ich bin tierisch nervös. Bert nimmt Schwung und im ersten Gang mit 80 km/h wird Paul diesen Berg hoch gequält und tatsächlich schaffen wir es alle bis auf den Parkplatz. Hier ist erstmal Endstation! Ich bin fix und fertig, Bert noch fix und fertiger! Kamil sagt wieder seinen Spruch: "Motorcycle problem, Bert no Problem!" Und er lacht! Aber an unseren Gesichtern erkennt er wohl doch den Ernst der Lage.  Er greift also gleich zum Handy und telefoniert! Ein paar kurze Gespräche und Morgen können wir Paul in eine Werkstatt bringen. Danke! Unsere Sorgen verschieben also wir erstmal und lassen unsere Beiden - rot und silberblau - auf  dem Hotelparkplatz

Kamil gibt uns eine Stunde. Einchecken, duschen, umziehen. Er hat einen Tisch in einem Restaurant reserviert.

Das Hotel "Windy Hill" thront hoch oben über der Stadt, die Lage ist ein Traum. Es ist wirklich tipp topp und First Class. Unser Zimmer ist penibel sauber, geräumig und geschmackvoll eingerichtet. Das Badezimmer stinkt nicht, alles funktioniert, von der Nachttischlampe bis zur Klospülung und wir haben einen Wahnsinnsüberblick über die Stadt. Auch im Laufe der Zeit werden wir merken, dass das Hotelpersonal, von der Rezeptionisten über den Kellner, der Frühstücksmamsel bis hin zum Putzpersonal überaus freundlich ist, weder aufgesetzt noch arrogant.

Pünktlich stehen wir frisch geschniegelt vor der Tür des Hotels, Kamil ist schon da und wir nehmen Platz in seinem Renault. Wir fahren zunächst zum Keban Stausee. Hier wird der Euphrat (auf türkisch: Firat, ausgesprochen: Frat) gestaut und in einem gigantischen Wasserkraftwerk wird Strom für ganz Ostanatolien produziert. Kurze Fotosession und nach einem kurzen Schlenker fahren wir direkt runter an den Fluss. Die Luft ist angenehm kühl und wir halten unsere Hände in den eiskalten "Frat". Das fühlt sich wirklich wie ein ganz besonderer Moment an. Keine Zeit für diesen besonderen Moment, denn es wird langsam dunkel und Kamil mahnt uns zur Eile. Wir fahren zum Cicir R,estaurant, was wunderschön an einem rauschenden Wasserfall gelegen ist. Hier erwarten uns Kamils Frau Feliz, Ahmet und Fatih. Wir bekommen köstliche Zuchtforelle und allerhand andere Köstlichkeiten, haben keinen Kampf mit Speisekarte und Übersetzer. Es wird aufgetischt und wir müssen uns um nichts kümmern. Feliz muss man gleich ins Herz schließen, da braucht es nicht viel an Konversation. Ansonsten hapert es doch ein wenig mit der Kommunikation. Wir reden mit Händen und Füßen und Google Übersetzer. Es geht hin und her, wir nicken oder schütteln mit dem Kopf.

Kamil unterbreitet uns das Programm für Morgen: der Tag wird gefüllt sein: Museen, der große Basar, Moscheen, etc. Wir werden alle zusammen frühstücken. und abends dann werden wir im Fernsehen sein!

Wie? Live Show! Kamil hat uns vorgestern per WhatsApp geschrieben, mit einer schlechten Google Übersetzung hatten wir nicht ganz verstanden. Wir wären im lokalen Live TV am Dienstagabend!

Diese ganze Fernsehgeschichte hatten wir vor lauter "Paul - Problemen" ganz in den Hintergrund geschoben und total verdrängt. Wir fragen nach, bekommen aber leider keine verständlichen Antworten! Kamil nickt: "Yes! TV Show!" Wir fragen: "Sind wir Zuschauer?" "Aber nein! Keine Zuschauer, Live TV!",  bekommen wir zur Antwort. "Aber wir verstehen doch die Sprache nicht!" "Kein Problem, es wird ein Übersetzer kommen!" Es bringt also nichts, weiter nachzuhaken. Wir zucken mit den Schultern! Was soll`s, die Hauptsache, Paul kommt Morgen erstmal in die Werkstatt! Noch ein Cay, wir fahren ins Luxushotel und fallen in unsere Luxusbetten im Zimmer mit dem Luxusausblick über die Stadt!

Pünktlich um halb Neun treffen wir uns alle zum Frühstück. Das Buffet ist ein besonders großes türkisches Frühstücksbuffet, Pommes, Oliven, viel herzhafter Käse, Tomaten, Süßes etc. und tatsächlich Kaffee. Mittlerweile erfreut uns auch Instantkaffe!

Es ist Zeit, nun Einiges zu klären. Als Erstes: Paul? Kann er gleich in die Werkstatt? "Natürlich! Gleich nach dem Frühstück!" "Und was ist nun mit dem Fernsehen?" Wir bekommen die gleiche Antwort wie gestern: " Live Show!" Abends um sieben! Okay, was soll´s! Wir werden sehen! Erstmal ab in die Werkstatt!

Paul springt normal an und nach ein paar problemlosen Kilometern stehen wir vor Oğuzhans Motorradwerkstatt. Sie ist klein, macht aber einen sauberen Eindruck und scheint mit allem ausgerüstet zu sein, was so eine Werkstatt braucht. Oğuzhan selbst scheint Mechaniker durch und durch zu sein. Vielleicht ist er Anfang/Mitte dreißig, sein weißes T-Shirt ist nicht mehr weiß sondern Öl durchtränkt, das Schwarz unter seinen Fingernägeln weißt ebenfalls auf Mechaniker hin. Auf den den ersten Eindruck wirkt er etwas ruppig und kühl, wir werden sehen, der zweite Eindruck ist der maßgebende! Wir versuchen alle - Kamil, Bert und ich mit dem Google Übersetzer das Problem zu erklären. Aber  - naja - so ganz versteht er uns wohl nicht. Kamil ruft so gleich Mehmet - sorry: Dr. Mehmet Öztürk - an, unseren Übersetzer für heute Abend (dazu gleich mehr). Und prompt steht er nach ein paar Minuten auf der Matte. Mehmet ist Anfang Sechzig, schmächtig und mit sympathischem, ruhigen Wesen. Er spricht hervorragend Deutsch, er hat in Deutschland u.a. in Heidelberg und Bochum Germanistik studiert und ist Vorsitzender der deutsch/türkischen Gesellschaft Vorort.

Genauso jemanden haben wir gerade in diesem Augenblick gebraucht. Wir erklären unser Problem bzw. Pauls Problem, die Vermutungen, die Bert hat. Mehmet übersetzt und  Oğuzhans Stirn wellt sich in Falten, er betätigt den Starter, checkt hier und da und Mehmet übersetzt fleißig.  Oğuzhan hat auch zwei Angestellte - zwei Jugendliche - die ihm zur Hand gehen, sie wissen genau, wann. Sie bringen ihm etwas zu trinken oder seine Zigaretten, es braucht nur einen Blick. Er macht kräftige Züge an seiner Zigarette, inhaliert tief und wir sollen Paul erstmal da lassen. Teile könne er nur mit zeitlicher Verzögerung bestellen, aber vielleicht sind es tatsächlich nur Verschmutzungen an Zündkerzen und/oder Benzinpumpe. Morgen wisse er mehr.

Mehmet verabschiedet sich freundlich von uns mit den Worten: "Wir sehen uns heute Abend!" "Halt Mehmet! Wir haben da noch Fragen wegen des Fernsehens!" Er wisse auch nicht so genau. Kamil kenne er auch nicht, er hätte nach einem Dolmetscher gesucht. Wir würden heute einige Sehenswürdigkeiten der Stadt besuchen und heute Abend würde man uns darüber Fragen stellen. Er solle übersetzen. "Okay, bis heute Abend!"  Mehmet hat es eilig und wir lassen Paul in Oğuzhans Obhut

Es ist noch früher Vormittag und Kamil, Feliz, Ahmet, Fatih begleiten uns uns auf Entdeckungstour durch Elazığ. Das Programm ist straff. Wir beginnen in der Innenstadt, Einkaufsmeile von Elazığ, vorbei an der großen Moschee zum City Museum, dann geht es auf den Grand Basar. Der ist wirklich "Grand". Überall gibt es Köstlichkeiten, vom speziellen Elazığ - Kaffee, über getrocknete Auberginen und Aprikosen, vom Käse über allerhand Süßigkeiten bis hin zu frischen und gemahlenen Gewürzen. Gerüche mischen sich, wabern in der Luft und durch unsere Nasen. Überall sollen wir probieren!  Mmmh, lecker hier und mmmh, lecker da! Und Puh, mir ist schon schlecht! Nein sagen gilt nicht, Kamil meint es gut!  Wir werden richtig gemästet. Mit einem Völlegefühl und einem Durcheinander in unseren Mägen verlassen wir den Basar, nein schleppen wir uns aus dem Basar! Vorbei an der großen Moschee geht es in nächste Museum, dem Pressemuseum und von da nach Harput, dem eigentlichen Entstehungsort Elazığs oberhalb der heutigen Stadt. Wir besuchen ein weiteres Museum, dem Hammam - Museum! Mittlerweile ist es später Nachmittag. Wir können kurz bei einem Cay in einem Lokal unterhalb der Burg verschnaufen. Es sind 38 Grad und die Sightseeingtour schlaucht. Okay, noch die Burg anschauen. Wir kraxeln nach oben und schwitzen, was das Zeug hält. Den gigantischen  Blick von oben auf die Stadt und dem gesamten Euphrattal nehmen wir trotzdem wahr! 

Laut Kamil sind wir jetzt fertig mit unserem Touristenprogramm.  All das hätten wir ohne persönliche Führung nie gesehen!

Auf dem Weg zum Hotel versucht uns Kamil erneut zu erklären, was es mit dem Fernsehen auf sich hat! Wir verstehen immer noch nicht ganz, um was es geht. Irgendwie kennt er jemanden vom Sender, man wird uns interviewen! Reality Show? Nein, nicht ganz, aber so was Ähnliches! Aber Live!

Kamil scheint überhaupt die halbe Stadt zu kennen. Immer ist da jemand der jemanden kennt, der Kamil kennt!

Auch ein weiteres kurzes Telefonat mit Mehmet bringt kein Licht ins Dunkel. Er solle nur übersetzen und man wird uns erst kurze persönliche Fragen stellen, dann Fragen über die Stadt, was wir so gesehen haben und wie sie uns gefällt. Wir werden uns aber rechtzeitig vor Sendebeginn Vorort treffen und alles besprechen!

Fernsehen? Spannend! Natürlich auf jeden Fall! Wir waren ja schon mal in einem deutschen Radiosender und haben der TikTok-Influenzerin ein Interview gegeben. Und jetzt Fernsehen? 

Wir haben keine Zeit! Keine Zeit JA oder NEIN zu sagen! Wir haben keine Zeit überhaupt darüber nachzudenken.

Aber gerade in dem Moment ist es faszinierend und spannend, obwohl wir gar nicht wissen, was da auf uns zu kommt. Wir sind im Fernsehen! Im Lokalfernsehen des "Kanal Firat!" (nochmal: ausgesprochen: Kanal "Frat", also Kanal Euphrat)

Im Hotel bleibt uns eine Dreiviertelstunde, um uns frisch zu machen und schon geht es ab ins Studio! Ein wenig überrumpelt fühlen wir uns schon, aber auch dafür haben wir keine Zeit nachzudenken. Und ehe wir es uns versehen, stehen wir in der Sendezentrale.

Mehmet ist auch schon da und ein groß gewachsener smarter junger Mann stellt sich uns vor (den Namen haben wir vor lauter Aufregung). Wir "shaken hands", er ist auch derjenige, der uns interviewen wird. Sehr chic ist er und  trägt er einen grauen Zwirn, darunter bügelsteif ein weißes Hemd und eine Ton in Ton passende Krawatte, so eben wie man im Fernsehen auftritt! Auch Kamil hat sich ein Hemd über geworfen und wir daneben machen keinen so feinen Eindruck in unserer Einheitskleidung, die wir seit Wochen zerknittert jeden Tag aus unserer Reisetasche holen! Bert hat noch ein halbwegs sauberes schwarz gemustertes Hemd hervor gekramt. Und ich finde, dass für mich mein blau/weiß gemustertes Blusen am Besten passt! Wir sind froh, dass Herr Dr. Mehmet Öztürk auch in einem einfachen Shirt erscheint. Wir besprechen kurz, was zu besprechen ist, Wir werden in dieser Livesendung schon Antworten auf die Fragen finden, die man uns stellt. Ich habe mir vorsichtshalber auf einen Spickzettel in aller Eile die Sehenswürdigkeiten der Stadt notiert. Also, Zuschauer sind - zum Glück -  nicht da und wir nehmen alle an einem halbrunden Tisch Platz. Ich muss in die Mitte, links neben mir Kamil, rechts von mir Mehmet, ganz außen jeweils Bert und der "Talkmaster" . Wir bekommen Mikros an unsere Shirts geklemmt und mehrere Kameras sind auf uns gerichtet und ehe wir es uns versehen, sind wir "On Air", die Talkrunde beginnt. Ich fühle mich wie in einer der gängigen Formate, wie man sie von Zuhause kennt. Mehmet übersetzt fleißig und alles geht uns ziemlich flüssig von der Hand bzw. kommt aus unserem Mund. Wir sind Beide - erstaunlicherweise - ganz entspannt und beantworten Frage für Frage, ganze 45 Minuten lang. Wer die Sendung in voller Länge sehen will, hier der Link zum Interwiew auf YouTube

Und dann ist`s auch schon vorbei, Kameras aus, ab mit den Mikros, und Spots aus! Wir werden anschließend noch durch den Sender geführt, sehen den Regieraum etc., dann "shaken wir wieder hands". Das war`s !

Wir verlassen um eine Erfahrung reicher das Studio und verabschieden uns von unserem smarten Talkmaster, Mehmet sagt auch tschüss und Kamil meint es wieder gut: " Wir gehen jetzt noch essen!" Schon allein beim Wort "essen" beginnt mein Magen erneut zu rebellieren. Es kneift hier, es brodelt da! "Essen? Wir haben doch schon den ganzen Tag gegessen!" Am liebsten würde ich, würden wir gleich ins Hotel und in unsere Betten fallen! Aber Kamil duldet keine Widerrede und Feliz lächelt uns mit ihrem besten Lächeln an und höflich, wie wir sind, sagen wir nicht Nein!  Ich reiße mich zusammen, denn wirklich: ich habe Magen/Darm-Probleme, reiche Bert meinen Teller. Wir kürzen den Smalltalk mit Google Übersetzer ab, an Feliz` Augen erkenne ich: sie versteht mich! Schnell ist also der Abend beendet und wir werden ins Hotel entlassen. 

Die Nacht verbringe länger auf der Toilette als das ich schlafe. Alles "unten" raus und Gott sei Dank nicht auch noch Übelkeit!

Aber was ist mit Paul?

Wir frühstücken nach einer schlaflosen Nacht. Bzw. Bert frühstückt. Ich begnüge mich mit einem Glas Cay. Kamil steht auch schon bereit, uns zur Werkstatt zu bringen. Er ist gut gelaunt. Vorher aber sind wir Gäste bei ihm Zuhause, Feliz hätte türkischen Kaffee und eine Kleinigkeit bereitet. Wir steigen in seinen blauen Renault und er bringt uns zu sich nach Hause, in den 6. Stock eines großen Mehrfamilienblocks mit einem faszinierenden Blick über Elazig. Feliz - ich glaube, sie ist das Herz der Familie mit ihrer warmen Art - hat am Vormittag alles her gerichtet und wir nehmen Platz auf dem verglasten Balkon. Der Tisch biegt sich vor lauter Süßigkeiten: Baklava, Nüsse, kandierte Früchte und selbst gebackener Kuchen, ganz liebevoll angerichtet Schon alleine beim Anblick bekomme ich Bauchkrämpfe, zum Glück ist mir immer noch nicht übel. Ich reiße mich erneut zusammen und dafür, dass ich in den Seilen hänge, reißt mein lieber Mann alles und rettet die Situation. Während ich an einem kleinen Höflichkeits - Stückchen -  Kuchen knabbere, nippt er hier und pickt da, probiert alles durch und strahlt. Aber nach einer Weile mahnt er bestimmend und energisch, dass wir doch in die Werkstatt müssten. Kamil springt auf und ein paar Minuten später stehen wir in der Oğuzhans Werkstatt. Möge ich halluzinieren in meinem Zustand, aber ich habe den Eindruck, dass Paul uns anstrahlt und uns mitteilen will: "Alles wieder in Ordnung!" Ein Anruf bei Mehmet und er eilt sogleich herbei, um zu übersetzen. Oğuzhan erklärt, dass er wirklich alles gecheckt und gereinigt hat. Außerdem ist er 50 km Probe gefahren ist und konnte keine Mängel feststellen konnte. Aber das fehlende "Ssssrrrr  Geräusch" ist wieder da! Vielleicht war es wirklich nur das!  Unsere ganze Hoffnung liegt also auf Oğuzhans Schrauberkünste. Für wirklich kleines, kleines Geld verabschieden wir uns von ihm. Und er dann kann er doch herzlich sein! Auch von Mehmet, sorry Dr. Mehmet Öztürk nehmen wir Abschied, Abschied von einem neu hinzu gewonnenen Freund. Er hat einen Bruder in Magdeburg. Wenn er den besucht, besucht er sicher auch uns! Die Einladung steht!

Eigentlich wären wir heute abgereist, es ist aber auch schon wieder nachmittags und unser Zimmer im Windy Hill Hotel verlängern wir gleich um zwei Nächte und bitten Kamil, uns ein wenig ruhen zu lassen. " No more action, no more sightseeing, please!" Natürlich hat er dafür Verständnis und wir verabreden uns für den letzten Abend zum Abschiedsessen im Hotel. Mir fällt ein Stein vom Herzen, nehme erneut die ein oder andere Medikamente und falle ins Bett, aber bis zu deren  Wirkung pendele ich zwischen Toilette und Schlafstätte. Mein lieber Mann lässt mich ruhen und vertreibt sich so die Zeit! Die Nacht schlafe ich gut 10 Stunden am Stück und am nächsten Morgen fühle ich mich zwar nicht wie neu geboren, aber wesentlich besser. Auch meinem lieben Mann mit seinen knapp 70 Jahren tut ein wenig Ruhe und Erholung gut! Ganz entspannt können wir den Tag vertrödeln und am Abend bin ich doch wieder so weit her gestellt, dass ich gesellig sein und ein wenig essen kann. Kamil, Feliz und Ahmet empfangen wir als unsere Gäste im Restaurant, auch wenn Kamil sich sträubt. Eine türkische Band spielt und wir bekommen sogar ein Lied gewidmet! Vielleicht war meine kleine Unpässlichkeit nur auf den ganzen Stress zurück zu führen?

Am Morgen  - nach weiteren 9 Stunden Schlaf - pellen wir uns nach 4 wirklich ereignisreichen Tagen wieder in unsere Motorradkluft und setzen unsere Reise fort, unsere Reise in eine neue uns fremde Welt: Es geht nach Mardin, der 1001 Nacht Stadt an der syrischen Grenze.

.... sofern uns Paul ohne Aussetzer und unkompliziert dorthin bringen wird!

Und was ist mit Paula? Seit Novi Sad und Mihailos Reparaturkünste läuft sie tadellos, egal ob bei Hitze bis zu 40 Grad, Staub und Wind, sie surrt vor sich hin! Mögen Oğuzhans Reparaturkünste genauso sein!

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Kommentare: 1
  • #1

    Klaus (Donnerstag, 11 September 2025 23:03)

    Wie immer ein super geschriebener und interessanter Bericht.

    So kenne ich die Gastfreundschaft auch.
    Und ich hoffe, das die BMW wieder problemlos läuft.