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Nach einer unmöglich möglichen Mission: zurück in Georgien!



Die gesamte Lage in der ganzen Kaukasus Region ist äußerst kompliziert und undurchschaubar mit ihren vielen  Völkern, ethnischen Gruppen und Nationalitäten. Man versteht erst Recht nicht, wer - wo - und vor Allem wie regiert wird. Ich lese ein wenig nach und das wirft weitere Fragen auf: z.B. ein gewisser Dmitri Trapesnikov, der vorher in der selbsternannten Republik Donezk Interims-Präsident war, ist nun der Bürgermeister von Elista und stellvertretende Premiermister der Republik Kalmückien. Oder: da herrscht in Tschetschenien der berüchtigte Präsident Ramsam Kadyrow, dem schwerste Menschrechtsverletzungen und Folter vorgeworfen werden.

Wer wohl maßgeblich mit seiner großen Hand und langem Arm einflussreich verantwortlich ist, dürfte allen bewusst sein!

Auch deswegen fühlen sich die letzten 30 km bis zur Grenze so gar nicht russisch an, gehören sie aber dennoch zum großen russischen Reich!

 

Am Morgen des 22.08.2025 serviert die pinkene Lady mit ihrem toupierten schwarzem Haarschopf und einem Lächeln auf ihren pink geschminkten Lippen ein schmackhaftes Frühstück mit löslichem Kaffee. Und um Halb neun verlassen wir das Yolka Hotel, was eigentlich Elka Hotel heißt (auch da soll mal einer durch steigen!). Wir lassen auch den Ort Gisel hinter uns, fahren kurz vor Wladikawkas am Kreisel rechts und dann geht es nur noch geradeaus.  Wir haben uns schon fast daran gewohnt, dass das GPS nicht funktioniert. Verfahren können wir uns auf den letzten Kilometern nun wirklich nicht mehr!

Ich glaube, mein Nervensystem ist völlig überreizt. Ich habe wahrscheinlich einen enorm hohen Pulsschlag, mein Herz schlägt mir fast bis unter die Schädeldecke. Es fühlt sich wirklich nicht gut an, wenn man nicht weiß, was auf einen zu kommt. Ich beruhige mich mit dem Gedanken, dass es ja wohl bei Ausreise nicht so lange wie der Einreise dauern wird!...  Obwohl?... Wird man uns befragen, wo wir überall waren und welche Orte wir besucht haben? Wird man mein Handy konfiszieren und schauen, ob ich etwas Verbotenes fotografiert habe? Solche und ähnliche Berichte haben wir von anderen Reisenden gehört.

Mit jedem Kilometer steigt die Anspannung und meinen Zustand vergleiche ich mit Lampenfieber. Wahrscheinlich habe ich gerade einen enormen Adrenalinschub. Und so lange die Nervosität nicht in Panik umschlägt, dürfte dieser Zustand also nicht problematisch werden!

Es ist aber trotzdem schade, denn ich wünschte, ich könnte mich auf die wundervolle Natur rundum konzentrieren!

Die Straße ist so früh am Morgen nicht besonders frequentiert und die Aussicht auf wenig Trubel an der Grenze lässt uns ein wenig positiver denken. Wir fahren an den Fahnen vorbei, die uns begrüßt haben und auf geht es durch das Nadelöhr Kaukasus auf der bekannten Georgischen Heerstraße.

Die erste Passkontrolle checkt unsere Dokumente. Wir befinden uns in einem Hochsicherheitstrakt, fahren über Bodenwellen durch die engen Passagen, die mit hohen Zäunen und Stacheldraht abgegrenzt sind. An einer nächsten Station müssen wir uns aufstellen, den Pass mit der Fotoseite auf Brusthöhe in der Hand halten und wie für Verbrecherfoto werden wir fotografiert. Nebenbei wird die Fahrgestellnummer mit der Nummer im Fahrzeugschein verglichen. Dann können wir weiter bis zur eigentlichen großen Abfertigung. Zum Glück müssen wir nicht wieder irgendwelche irrwitzigen Formulare ausfüllen, wo man uns wie Schüler behandelt, die ihre Hausaufgaben nicht richtig gemacht haben: "Falke!: Setzen!: Sechs!"

Viele Schalter sind geöffnet, es geht zügig voran, nur ein Auto aus Kasachstan ist vor uns. Erstens: Passkontrolle! Die Beamtin ist für eine Grenzbeamtin verhältnismäßig nett und ich kann sogar ein unterdrücktes Lächeln erkennen als sie in mein verschwitztes Gesicht blickt und in null Komma nichts erhalte ich meinen Ausweis zurück. Zweitens: Zollkontrolle! Die Zollbeamten tun es der Passkontrolleurin gleich und wahrscheinlich in Vorfreude auf das kommende Wochenende lassen sie mal alle Fünfe gerade sei und schauen nur ganz oberflächlich in unser Gepäck, Koffer auf, Koffer zu, Topcase auf, Topcase zu!

Noch einen letzten Passgucker und das war es ! Dawai! Dawai! ... und das große Russische Reich spuckt uns Richtung Georgien genau da, wo wir hinein gekommen sind, wieder aus aus. 

Noch die zwei Kilometer Niemandsland durch die Schlucht und durch die stickigen, stinkenden Tunnel bis zum Grenzübergang auf Georgischer Seite. Diesmal geht es nicht mit Stop and Go sondern recht zügig im 2. Gang voran, aber die Gerüche sind die Gleichen wie auf der Herfahrt. Ich muss mich ständig räuspern und wenn der üble Pipigeruch kommt, halte ich die Luft an, solange es geht.  Wir kommen vorbei an unzähligen Autowracks, die vermutlich nach der Teilmobilmachung Putins im September 2022 hier einfach in der Landschaft verlassen und stehen gelassen wurden. Seither rosten sie vor sich und die Natur erkämpft sich so langsam ihren Weg in und um sie herum.  Ich lese später einen Artikel der FAZ, was sich hier und vor der Grenze in Nordossetien an jenen Tagen abgespielt hat. Dieses Szenario möchte ich mir aber jetzt nicht vorstellen.    

Es ist Freitag und auf der Gegenspur reihen sich PKW an PKW, daneben ebenso LKW an LKW. Noch vor gut einer Woche standen wir ebenfalls dort drüben, kämpfend um jeden Zentimeter des Vorwärtskommens!

Nun kommen wir besser durch als gedacht und stehen unvermittelt am Schalter des georgischen Grenzhäuschen. Hier müssen alle Fahrzeuge über die Linie fahren, ungefähr im Fünfertakt, irgendwo parken - alle stehen kreuz und quer - und zu Fuß zum Schalter zurück. Wir stehen vor dem Schalter mitten in einer kleinen, wuselnden Menge von Autofahrern, die mit ihren Pässen wedeln. Jeder will der Erste sein. Das ist so seltsam! Von einem Schalter an dem man nacheinander ran fährt, seine Dokumente vorzeigt und dann weiter darf, also jeder der Reihe nach und nacheinander, hat man hier noch nichts gehört. Nun stehen wir vorm Schalter, mit Leuten, die eigentlich nach uns dran kämen. Alle quasseln durcheinander und bezirzen die Beamtin am Schalter. Jemand erhält seine Papiere mit dem ersehnten Stempel zurück. Der kann aber mit seinem PKW gar nicht durch, denn er steht hinter einem, der seine Dokumente noch nicht zurück hat. Wir stehen dicht an dich mit Georgiern, Russen und/oder Armeniern, die genauso schwitzen wie wir, brav unsere Pässe und Fahrzeugpapiere in der Hand. Bevor wir uns fragen können, ob irgendein System, was wir nicht verstehen, dahinter steckt, ruft jemand laut und deutlich: "MOTORZIKLE". Jaha!  Das sind wir! Und wir drängeln uns vor zur georgischen Grenzbeamtin, reichen ihr unsere Papiere und mit einem Stempel in unserem Pass dürfen wir weiter... Würden wir ja gerne, aber ein PKW versperrt uns den Weg und wir müssen warten, bis auch er dran ist.

Aber alles in Allem trotzdem Rekordzeit von ca. 1 1/2 Stunden!

Auch hinter dem Grenzhäuschen herrscht ein Menschengedrängel und Gewusel ohnegleichen! Beifahrer müssen zu Fuß separat einen anderen Weg durch die Pass- Zollkontrolle nehmen. Hinter den Kontrollen suchen sich dann wieder alle und die passenden Beifahrer müssen ihre Fahrer finden!

Kopfschüttelnd bahnen wir uns den Weg durch Massen von PKWs, Kleinbussen und Fußgängern.  Auf dass niemand vergessen wird an dieser chaotischen  Grenze! 

 

Wir haben endlich freie Fahrt. Der große Stein fällt von unseren Herzen und der Kloß verschwindet nun auch, aber das Abenteuer Russland und die Erfahrung, die wir gemacht haben, möchten wir auf keinen Fall missen!!!

Auffällig ist der Gegenverkehr Richtung russische Grenze. Viel, viel länger ist die Schlange an PKWs als wir sie noch vor einer Woche gehabt haben. Wir fahren an der Masse vorbei, Kilometer um Kilometer an stehenden Autos, von den LKWs ganz zu schweigen.  Im Nachhinein hören wir, dass die Wartezeit für Autos mehr als 24 Stunden beträgt.

Wer um Himmels Willen nimmt so etwas auf sich? Und vor Allem warum? Auch fragen wir uns, warum die russische Seite ihre eigenen Landsmänner/frauen nicht einfach durch winkt? Sie werden mit einem enormen Zeitaufwand genauso "gefilzt"  und kontrolliert wie alle anderen auch.

Wir finden keine Antwort!

Und was ist mit den LKWs? Die - so werden wir sehen - auf fast der gesamten Strecke bis kurz vor Tiflis stehen? Es mögen nicht Hunderte sondern Tausende sein! 

 

 

Über diese Fragen zerbrechen wir uns nicht länger den Kopf und passieren Stepanzminda, die kleine Stadt am Fuße des Kasbegs zügig, aber halt!... Der Kasbeg mit seinen 5054m zeigt sich einmal nicht Wolken verhangen, sondern zeigt seinen Schnee bedeckten Gipfel. Ihn anzusehen, versetzt uns einfach nur ins Staunen!

 

Wir fahren über den Kreuzpass, am sowjetisch/georgischen Freundschaftsdenkmal vorbei weiter über Gudauri (sehen das Hotel, wo mir das Missgeschick mit dem Umfaller passiert ist), bis zu unserer Unterkunft, einer kleinen Pension direkt neben der Straße, wo wir bereits 2018 schon einmal ein gekehrt waren. 

Aufgefallen ist uns das schon früher, aber spätestens beim Tankstopp in Gudauri merken wir: Georgien ist angesagt! Touristen über Touristen vom Rucksacktouristen aus Westeuropa über Saudis bis hin zu Menschen aus Indien und Fernost. 

 

Die Hektik bei der Fahrerei ist kaum zu überbieten! Überholen in engen Haarnadelkurven, überhöhte Geschwindigkeit usw. usw. !! An den georgischen Verkehr werden wir uns wohl nie gewöhnen, schon mehrfach habe ich berichtet!

Unsere Pension ist eine kleine Oase zum Auftanken. Etwas abseits der Hauptstraße bietet sie einfache Übernachtungsmöglichleiten zu kleinen Preisen. Angegliedert ist ein Restaurantbetrieb mit einem liebevoll gestalteten Innenhof. Die bekannte georgische Gastfreundlichkeit erfahren wir hier zwar nicht, aber die Angestellten tun ihren Dienst und das Essen schmeckt. Wie  - nach den vielen Aufregungen schlafen wir gut in den einfachen Betten des Kakhaberi Hotels!

Bevor wir zum nächsten Ziel und Highlight, der nur knapp 100 km entfernten Hauptstadt Tiflis aufbrechen, wollen wir erstmal frühstücken. Frühstücken tut man in Georgien sehr üppig und deftig, das wissen wir, aber die drei Herren am Nebentisch speisen morgens um neun als hätten sie die Tageszeit vertauscht. Es stehen zwei Rotweinflaschen auf dem Tisch und Trinksprüche hallen zu uns rüber. Der Tisch biegt sich vor Essen und der Kellner schleppt immer noch mehr an, vom Kashapuri (dem bekannten gefüllten Brot), über saure Pickles bis hin zum Schaschlik (den Spießen aus verschiedenen Fleischsorten). Es passt viel in die Männer hinein, wir begnügen uns mit einem kleinen, fettigen Omelett und einem türkischen Mokka, denn nach Abendessen so früh am Morgen ist uns noch nicht!

Wir machen noch einen kleinen Spaziergang über die (baufällige) Brücke über den Fluss Aragwi, über die von je her alle hier drüber müssen. Der Asphalt bebt bei jedem LKW, bei jedem PKW und die Brücke scheint zu wackeln!

Wir hoffen, sie trägt auch uns gleich noch!

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Kommentare: 1
  • #1

    Klaus (Mittwoch, 27 August 2025 23:58)

    Das Hotel habe ich mir gleich rausgesucht und eingetragen, solche Tips mag ich !!

    Willkommen zurück in Georgien!