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Nach der Reise ist vor der Reise

Es gibt wahrlich Schlimmeres als 5 gebrochene Zehen! Unser anfänglicher Optimismus wandelte sich in eine depressive Stimmung. Es stellte sich schnell heraus, dass eine Fortführung unserer geplanten Reise so schnell nicht möglich war. Denn 5 gebrochene Zehen brauchen Zeit, um zu heilen, viel Zeit!

 

Schmerzhafte und tränenreiche Wochen liegen hinter mir, diverse Arztbesuche, Röntgenkontrollen, Krankengymnastik und Lymphdrainage inklusive und der sogennnte Vorfußentlastungsschuh sollte ganze 8 Wochen an meinem linken Fuß kleben wie ein weiteres hinderliches Körperteil. Große Brüche kann man operieren, nageln, schienen und drahten, aber Zehen, die kann man nicht operieren, die müssen von alleine heilen, so die Aussage der Ärzte. Fette Spannungsblasen mit einer ekligen dunklen Flüssigkeit bildeten sich genauso langsam zurück, wie die vielen Blutergüsse, die bis hoch in das Schienbein reichten. Von der dicken Schwellung ganz zu schweigen, der Fuß sah lange wie ein bunter Ballon aus. Die Fäden in der Naht zwischen Großzehe und der daneben pieksten und ärgerten mich zusätzlich. Diese wurden aber zum Glück schnell gezogen. Seither ziert eine kleine wusltige Narbe diesen Bereich. Die ersten Drei von den Fünfen waren glatt durch, der daneben doppelt gebrochen und der Kleine gesplittert! Wer sich schon einmal einen Zeh gestoßen hat, weiß, wie weh das tut und kann sich in etwa vorstellen, wie das mal Fünf ist. Ein Cocktail aus Ibuprofen und Paracetamol ließ meine Schmerzen halbwegs ertragen. Nur schwer humpelnd konnte ich mich anfangs wenige Schritte fort bewegen, von einem Spaziergang konnte ich nur träumen. Da ich in meinem bisherigen Leben von Brüchen und derartigen Verletzungen verschont geblieben bin, konnte ich wirklich nur schwer damit umgehen. Wer schon einmal so außer Gefecht gesetzt wurde, kann das sicher nachvollziehen. Ich will nicht rumjammern, denn, wie gesagt, es gibt wahrlich Schlimmeres als 5 gebrochene Zehen!

Mein lieber Bert hielt also tapfer meine üble Laune aus, baute mir, egal, wo ich saß oder lag, ob auf dem Sofa oder auf der Liege im Garten, kleine, weiche Türmchen aus Kissen damit ich mein Bein immer schön Hochlegen konnte und verpasste mir allabendlich kühle Wickel aus einer Kräutertinktur. Besuche von lieben Freunden, Nachbarn und nette WhatsApp Konversationen versüßten mir mein eintöniges, inaktives Dasein. Langsam, ganz langsam wurde es allmählich besser.

Irgendwann sagte eine Ärztin nach der letzten Röntgenkontrolle nach 8 Wochen zu mir:  "Es ist alles noch nicht so wie es sein sollte, aber der Vorfußentlastungsschuh bringt jetzt auch nichts mehr, lassen sie ihn weg! Alles Gute! Auf Wiedersehen!"

Gefühlte hundert Male habe ich  Freunden, Kunden, Bekannten und Unbekannten den Hergang  geschildert. Kaum jemand kann sich vorstellen, wie man sich beim Motorradfahren alle Zehen eines Fußes brechen kann. Aber ja, man kann!

Die Schuldfrage des Unfalls wird wahrscheinlich nie geklärt und hat sich außer uns wohl niemand gestellt, denn niemand ist außer mir zu Schaden gekommen, auch der italienische PKW, der mich umgeschubst hat, hat allenfalls einen kleinen Kratzer an der Stoßstange, alle Insassen zum Glück völlig unversehrt. Sogar die alte Sally ist vollkommen in Ordnung und fahrtüchtig geblieben. Naja, ein paar Schönheitskratzer schaden ihr nicht und die eingeditschten Koffer haben so einen besonderen Vintage Look bekommen und ich bin dankbar, denn sie haben Einiges abgehalten. Von der italienischen Polizei haben wir nie wieder etwas gehört.

Nochmals rückblickend hat unsere Analyse Folgendes ergeben: Wir hielten kurz nach einer verpassten Abbiegung auf einer großen Hauptstraße, um zu wenden. Beim Schulterblick vor meinem Wendemanöver konnte ich nur die Hauptstraße einsehen, in die Seitenstraße konnte ich nicht blicken. Das Auto, was mich umgefahren hat, kam genau aus dieser. Ich konnte tatsächlich den Kleinwagen nicht sehen! Der Fahrer hatte Vorfahrt achten und beim Abbiegen selbstverständlich nur nach links geschaut. Er bemerkte mich wohl zu spät als ich schon den Wendevorgang eingeleitet hatte und ich mich bereits quer zur Straße befand. Zum Hochschalten hielt ich meinen linken Fuß ebenfalls quer, quer zur Fußraste. Das war mein Verhängnis oder aber auch mein Glück. Eine Vollbremsung konnte er noch hinlegen, aber ein kurzer, heftiger Schubser gegen Sallys Koffer und eben gegen meine Zehen.

Die Frage mit dem "was wäre wenn" stellt man sich am besten nicht. Ich habe und das nicht zum ersten Mal großes Glück gehabt und mal wieder eine ganze Kompanie, ach was ein Bataillon an Schutzengeln im Gepäck!

Was sind schon 5 gebrochene Zehen



Nun nach 11 Wochen blicke ich doch wieder ganz optimistisch in die Zukunft! Das Laufen klappt schon wieder ganz gut und fast humpelfrei. Nur Schuhe sind das Problem! Breite Sneaker musste ich mir anschaffen, denn ich passe sonst nur in Latschen. Auch mein kleiner Zeh (der Gesplitterte) bereitet mir nach wie vor leichte Schwierigkeiten. Beim Hose anziehen bleibe ich ständig an ihm hängen und in den Sneakers drückt er. Meine Motorradstiefel Fehlanzeige! Aber wir wollten doch noch mal los, zwar nicht so riesig wie geplant, aber gar keine Reise im Jahr! Nein, das geht nicht! iIch lasse mir doch von meinem kleinen Zeh den Urlaub nicht vermiesen! Also ist Improvisationstalent gefragt! Als erstes mussten neue Motorradstiefel her und beim Fachgeschäft für Motorradsachen unserer Wahl war ich tatsächlich fündig! Halbhohe zum Schnüren, wo man die Lasche beim Hineinschlüpfen hoch klappen kann, eine Nummer größer als üblich! Die Einlegesohle hinaus genommen und den Kleinen an die anderen getapt! Noch Stützstrümpfe an! Passt! Zwar nicht 100% optimal, aber passt! Ich kann sicher stehen und belasten, das haben mehrere kleine Probefahrten ergeben, auch das Schalten bereitet keine Schwierigkeiten!

Eine Tour hat mein lieber Mann schnell geplant. Wo geht es wohl hin? Richtig! Richtung Osten! Und was haben wir letztes Jahr verpasst? Das Donaudelta! Das Donaudelta in Rumänien ist unser großes Ziel, gute 2000 km liegen ab Morgen vor uns! Danach werden wir sehen! Bulgarien, Balkangebirge, Montenegro, Albanien und die kroatische Adria!

Die Koffer sind gepackt, Kühlbox und Kaffeemasschine stehen bereitund SALLY und HARRY sind startklar! Ein Notfallkit mit Tapeband, Zehenpolster und Ibuprofen befinden sich bereits in meinem Tankrucksack, ein Schuhlöffel stets bereit!

Vielleicht schaffen wir es, 4 Wochen mit interessanten und spannenden Motorradmomenten zu füllen!

... Und wenn mir mein kleiner Zeh samt Fuß doch einen Strich durch die Rechnung macht, dann drehen wir einfach um!


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Kommentare: 4
  • #1

    Heidrun (Dienstag, 16 August 2022 23:19)

    Ihr rockt das sowas von….
    Diesmal wird es Bombe….gute Reise liebste aller Bellas…ich werde euch nicht nur die nächsten vier Wochen im Herzen tragen….

  • #2

    Maik und Elke (Mittwoch, 17 August 2022 08:40)

    Liebe Sabine und Bert, eine gute unfallfreie Reise. Wir sehen uns an der Adria. Herzliche Grüße Maik und Elke �‍♀️�‍♂️

  • #3

    Sabine und Rüdiger (Mittwoch, 17 August 2022 11:29)

    Ihr seid der Hit! So mutig! Wir wünschen Euch eine gute Reise, ein Schutzengel möge Euch begleiten! Dieses Mal geht alles gut!
    Bis in 4 Wochen - liebe Grüße Sabine und Rüdiger

  • #4

    peter (Donnerstag, 18 August 2022 22:33)

    Hallo Ihr Beiden. Na,das ist ja ein Ding, was machst du nur für Sachen. Zum Glück ist nicht allzuviel passiert, wünsche Dir, Sabine, weiterhin eine Gute Heilung und dass die Reise gelingen möge. Aber den Humor hast du trotz des Leidens nicht verloren.
    Die Videos kenne ich ja, aber Euren Blog habe ich erst jetzt wahrgenommen. Sehr ausführlich und interessant. Da habe ich ja noch viel zu lesen und Videos zu gucken.