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Ungarn/Tschechien/Deutschland


Das war´s... Es kommt sowieso immer ganz anders


Bei Samac überfahren wir die nächste Grenze, genau 125 Kilometer Kroatien warten auf uns. Da wir Transit sind, reicht den Kroaten ein kurzer Blick in den Pass. Und an der kleinen kroatisch - ungarischen bei Drávaszabolcs müssen wir nicht einmal anhalten, es gibt gar keine Kontrolle so von EU - Land  nach EU - Land. Super, so kann es auch gehen!

In Ungarn - wie kann es anders sein - ist der Balaton oder auch Ungarisches Meer oder bei uns oft Plattensee genannt, unser nächstes Ziel. Der Balaton ist der größte See Mitteleuropas, beliebtestes Reiseziel in Ungarn und zieht schon, auch lange vor den Wendejahren viele Touristen aus Ost und West an. 

In Siofok, der größten Gemeinde am See haben wir eine günstige Ferienunterkunft gefunden. Das schöne spätsommerliche Wetter zieht zum Wochenende, obwohl die Saison für die Ungarn schon vorbei ist, viele Radler und Biker an. Unser Apartment liegt ganz ruhig in der Hermann Otto Uliza am Rande der Stadt. Es ist wie immer einfach eingerichtet, aber sauber und versprüht noch etwas den alten Ostcharme. Eine schöne große Terrasse haben wir ganz für uns und den Balaton können wir aus dem  Augenwinkel sehen. Das Traumwetter soll erstmal so bleiben und uns ist klar: Wir hängen noch einen Tag dran. Wir genießen und schwimmen und genießen. Obwohl der Balaton so flach ist und im Sommer mitunter Badewannentemperatur hat, fühlt sich das Wasser momentan sehr kalt an. Erfrischend ist es aber in jedem Fall! Wir erfahren, dass auch hier der Sommer recht kalt und verregnet war.

Haben wir ein Glück, die Temperaturen klettern rauf bis Ende Zwanzig Grad! Wir wechseln um auf 2 langsamere Räder, leihen uns 2 Fahrräder und gönnen Harry und vor Allem aber Sally ein wenig Ruhe! Jeden Morgen frühstücken wir lang und ausgiebig, trödeln in den Tag und essen jeden Abend lecker in einem der noch offenen Restaurants.

Außer, dass uns die Politik Orbans nicht gefällt - das müssen wir hier mal sagen! - hat es uns in Ungarn immer gefallen, wie auch dieses Mal. Und immer nette, stets freundliche Menschen!

So schnell können 3 Tage vergehen! Wir fahren erholt und frisch weiter Richtung Norden. Tschechien ist das nächste Land auf unserem Weg nach Hause. Es ist immer noch herrlich warm, die schnurgeraden, ungarischen Straßen sind langweilig. Am Grenzübergang zu Österreich Hegyeshalom/Nickelsdorf sehen wir ein Schild: Aufgrund Corona dürfen hier nur ungarische und österreichische Staatsbürger passieren. Wir sind mutig, drehen nicht um und fahren ran bis zur Kontrolle. Wir wollen ja nur im Transit durch und in der Tat, als wir das Zauberwort "Transit" dem  Masketragenden österreichischen Grenzbeamten nennen, winkt er uns ohne einen Blick in unsere Impfzertifikate durch. Eine Strecke, die wir schon fast im Schlaf kennen, geht es an Wien vorbei, immer schön auf kleinen Straßen, die einfach zum Genießen sind. Auch das Wetter hält sich und ebenfalls gibt es keinerlei Kontrollen an dem kleinen Grenzübergang  Kleinhaugsdorf zu Tschechien. Die grenznahe Stadt Znojmo/Znaim besuchen wir mittlerweile zum dritten Mal. Leider ist unsere Lieblingspension ausgebucht, wir finden aber ein anderes Zimmer mit Blick auf den Marktplatz der sympathischen Kleinstadt. Auch des Essens wegen übernachten wir gerne hier. In einem gemütlichen Lokal in der schnuckeligen Altstadt gibt es leckere Spareribs, auf die wir uns schon seit ein paar Tagen freuen. Ohne groß in die Speisekarte schauen zu müssen, tippen wir zielsicher auf das Gericht unseres Verlangens. Die Kellnerin schüttelt den Kopf und lässt uns wissen, dass diese nicht verfügbar sind. Wir sind ja flexibel und switchen um auf Schweinebraten mit Klößen und Sauerkraut... Der wird ja wohl genauso lecker sein! Wir freuen uns! Wir sind sehr erstaunt, es wird ziemlich schnell serviert und als wir auf die Teller schauen, ziehen wir lange Gesichter! Nicht nur der Anblick des Gerichts auf dem Teller sondern auch der Geschmack lässt sehr zu wünschen übrig. Als Braten deklariert, erhalten wir jeweils 2 kleine verschrumpelte Stücken Fleisch undefinierbaren Ursprungs, weit entfernt von dem, was wir Schweinebraten nennen würden, trocken, aber gleichzeitig fetttriefend, auf einen Berg Sauerkraut geklatscht, der sich später, - so interpretieren wir - in Durchfall äußert. Dazu gibt es diese typischen tschechischen Brotknödel, die nicht nur nicht schmecken sondern auch noch kalt sind. (Leider habe ich es versäumt, davon ein Foto zu machen!) Ein paar Happen und wir reklamieren, was bei der Bedienung auf taube Ohren trifft und sie ihre mangelnden Deutschkenntnisse vorschiebt. Wir zahlen freiwillig den von uns verlangten Betrag und ziehen kurzerhand ein Restaurant weiter und bestellen dort einen großen Salatteller mit Hähnchenfilet, der unsere Mägen füllt, dazu noch ein Bier und der Abend ist gerettet!

Pilsen!... Pilsen, die Bierstadt in Tschechien ist unser nächstes auserkorenes Ziel. Gut 250 Kilometer sind es bis dahin. Unser Navi sagt uns, dass wir am frühen Nachmittag ankommen werden. Also noch Zeit, die Stadt anzuschauen und vielleicht sogar das Biermuseum zu besuchen. Trotz nicht so ganz erfreulicher Wettervorhersagen, bleibt es trocken und für uns Motorradfahrer sind es optimale Bedingungen: leichte Bewölkung, gut über Zwanzig Grad und eine schöne leere, tschechische Kurvenstrecke auf einsamer Landstraße. Wir sing gut gelaunt. Alles läuft und surrt vor sich hin. Schon fast haben wir unser Ziel erreicht, nur noch 30 Kilometer bis Pilsen und es ist früher Nachmittag. 

Bis...

Bis es einen Schlag tut, als wir eine Anhöhe mit etwas Steigung fahren. Einen lauten Schlag, lautes Schrappen! Und dann: NICHTS!...  Intuitiv ziehe ich alle Bremsen... Stille... Stille um mich rum, denn der Motor ist aus! Ich stehe! Ich stehe am Straßenrand auf einer Anhöhe auf einer tschechischen Landstraße kurz vor Pilsen! Dafür herrscht keine Stille in meinem Kopf. Ich schreie in mein Mikro und somit in das Ohr meines vor mir fahrenden Mannes. "Stoooooppppp! Etwas passt nicht! Ich kann nicht weiter! Ich glaube, die Kette ist ab!" Den Warnblinker habe ich gleich intuitiv angeschaltet. Zum Glück stehe ich in keiner Kurve, aber auf einer Straße ohne Standstreifen! Autos rasen an mir vorbei! Mein Mann dreht irgendwo, bringt erstmal seinen Harry an einer Waldeslichtung außerhalb der Straße in Sicherheit und kommt angelaufen! Ja, ich hatte Recht, Sallys Kette ist abgesprungen! Einfach aus dem Nichts heraus. Wir haben beide keine Ahnung, warum! Das ist jetzt gerade in diesem Moment auch völlig egal! Bert bringt meine Sally zu Harry an den Waldesrand. Zum Glück ist nichts passiert! Ich konnte einfach stoppen, wäre ich gerade in einer Kurve?... Nicht auszumalen!... Nein, wir malen uns das jetzt auch nicht aus! Immer wieder das hätte, wäre, wenn schieben wir ganz nüchtern beiseite! Jeder Motorradfahrer kann aber diese Situation sicher nach empfinden. Alle anderen können sich das einfach so vorstellen:  es ist genauso, wenn einem - und das ist sicher jedem mindestens einmal im Leben passiert - die Kette vom Fahrrad abspringt! Dann geht gar nichts mehr. Man kann nur anhalten und versuchen, die Kette wieder auf die Zahnräder zu bekommen! Genauso ist das beim Motorrad, eben nur wesentlich schneller, ich war bei ca. 80 km/h, da kann man nicht einfach wie bei einem Fahrrad absteigen!

Sally drehen wir um und da ich immer noch zittere, bugsiert sie mein lieber Mann sicher bergab an die Waldeslichtung zu Harry. Und da stehen wir nun ... wir Vier!

Vielleicht kann das mein zuversichtlicher Bert doch gleich beheben! Wie vor 2 Jahren in Russland! Einfach Kette runter und neue Kette drauf. Nur so einfach ist es leider diesmal nicht. Die Kette hat sich so verkantet und sich um das Ritzel verwickelt, das sie einfach nicht zu lösen ist, zumindest nicht mit dem kleinen Werkzeug, das wir dabei haben. Alle Anstrengung hilft nicht. Wir brauchen Hilfe! Wir rufen die internationale Pannenhilfe des ADAC. Hier im Wald, im tschechischen Nichts haben wir kaum Empfang, das Internet ist so instabil, dass es kaum funktioniert,  zum Glück bekommen wir wenigstens Telefonkontakt zustande! Man verspricht uns Hilfe. Das wiederum kann dauern, so der nette Herr am Telefon des ADAC in München, ca. 90 Minuten! Ach, wir rechnen nach, kein Problem, dann ist es eben statt früher Nachmittag in Pilsen, später Nachmittag! Wir sind positiv! Und warten! Wie war das noch? Im Warten sind wir ja groß!? Ja, es braucht Geduld, hier mehr denn je! Der nette Herr vom tschechischen ADAC  meldet sich und berichtet, dass momentan leider niemand aus der Nähe zur Verfügung steht, aber es kommt ein kompetenter Mechaniker aus Prag! Aus Prag? Ja, das ist gut über 100 Kilometer entfernt! Das kann dauern, gut eine Stunde, verspricht uns der Mensch vom ADAC Tschechien! Wir sind drauf eingestellt und richten uns ein an unserer Waldlichtung. Gut, dass wir Klappstühle dabei haben! ... Wir warten! ... Und warten!... Wir harren aus!... 90 Minuten verstreichen locker, es wird frisch, die Sonne verschwindet so langsam! ... Gar nicht auszumalen, wie es bei Regen gewesen wäre! Also: Immer schön positiv denken! Es wird später und später, so langsam fangen wir an zu frieren... Was, wenn es dunkel wird? ... Und das ist bald?...

Irgendwann kommt die Erlösung noch kurz vor Sonnenuntergang und zwar in Form eines deutsch sprechenden Mechanikers, der das passende Werkzeug dabei hat! Ein paar Handgriffe  und die Kette ist gelöst! Noch mehr Handgriffe von vier männlichen Händen und das komplette Problem ist gelöst! Sally ist wieder auf der Spur!

Oh man, Sally, erst Hitzewallungen und dann das! So ist das im Alter!... Ich will aber nicht mit ihr schimpfen!

Sie läuft! Danke Mechaniker aus Prag! Danke an meinen lieben Mann! Wir können weiter fahren! Mittlerweile ist es doch schon dunkel geworden und Pilsen erreichen wir nach 21.00 Uhr...Sicher! Das ist die Hauptsache! 

 

Unser Hotel hat freundlicherweise unser Zimmer für die späte Ankunft frei gehalten! Wir beschließen, einfach eine Nacht länger zu bleiben!  Nein, das geht leider nicht! Ausgebucht! Schade! Kein Biermuseum, keine Pilsener Altstadt! Dann machen wir das  vielleicht ein anderes Mal unter anderen Voraussichten! Wir bekommen noch etwas zu essen und fallen tot in unser Bett!

Viel Lust, eine lange Strecke zu fahren haben wir nicht, denn wir haben es nicht eilig und müssen auch nicht so schnell  Zuhause sein. Schnell ist aber ein anderes Zimmer in der ca. 100 Kilometer entfernten kleinen Grenzstadt Cheb - zu Deutsch Eger - am nördlichsten Zipfel Tschechiens gebucht! Der Himmel ist grau verhangen, die Temperatur kaum über 20 Grad als wir ankommen. daran müssen wir uns erst wieder gewöhnen! Ein großes, einfaches, privates Apartment fußläufig zur Innenstadt erwartet uns.

Die vorletzte Nacht unserer großen Reise erwartet uns ebenfalls! Das Städtchen ist nett. Wir kehren ein in einer kneipenähnlichen Lokalität, essen Entenkeule mit Rotkraut, die absolut lecker schmeckt und trinken Pilsener Urquell ... Alles fühlt sich an, als wenn wir auf einer Wochenendtour wären!... 

Eine Reise, die so ganz besonders war und nun  zu Ende geht! In einer Etappe könnten wir Zuhause sein, aber nein, noch eine Nacht lässt sie sich hinauszögern. Zum Glück, so stellt sich heraus, haben wir nur 200 Kilometer zum zum Ziel: Eckartsberga im Burgenlandkreis in Thüringen! Als wir in Cheb in Tschechien los fahren nieselt es Bindfäden!  Ich ziehe mir zusätzlich zur Regenkombi eine Plastiktüte über meinen linken Fuß, denn mein Stiefel ist durch den Unfall in Kappadokien ziemlich aufgerissen und lässt ganz sicher auch Nässe durch! Gut Zweidrittel der Strecke fahren wir in strömenden Regen. Im Schneckentempo bei schlechter Sicht geht es nur mäßig voran. Erst Tropfen, dann ein kleines Rinnsal, dann ein großes Rinnsal sucht sich den Weg auf unsere Haut. Temperaturen unter 15 Grad wie jetzt sind wir gar nicht mehr gewohnt!  Ich friere, ich bin nass, auch mein Mann friert und ist nass! Ein nicht besonders gutes Gefühl, das aber auch zu jeder Motorradreise dazu gehört! Zum Glück hatten wir nicht viele solcher Tage!

Kurz vor unserem Ziel reißt der Himmel auf und schließt endlich seine Schleusen!

 

Die kleine Stadt Eckartsberga an der Grenze zu Sachsen Anhalt ca. 30 Kilometer von Jena und Weimar entfernt, empfängt uns in Form eines netten, kleinen Hotels. Normalerweise beherbergt dieses kleine Hotel auch ein Restaurant, das aber wegen Krankheit der Köchin/des Kochs geschlossen hat. Leider gibt es im gesamten Ort außer eines nicht vertrauensvoll wirkendenden Dönerimbisses keine andere Lokalität, wo man zum Essen einkehren könnte. Die serbische, nette Inhaberin bereitet uns auf Anfrage und den wenigen anderen Hotelgästen alternativ ein Friteusenschnitzel mit Pommes. Wir müssen also nicht hungern! Die freundliche und aufmerksame Bedienung macht alles gut und zur Schließzeit Punkt 20.00 Uhr entlässt man uns in unser Zimmer.

Kaum zu glauben, dass diese Reise wirklich zu Ende geht! Mehr als auf anderen Reisen zuvor haben wir spannende Motorradmomente erlebt, Wetterkapriolen aller Art erdulden müssen. Vor Allem aber haben wir viele Schwierigkeiten gemeistert und schien manchmal eine Lösung fern, so haben wir immer eine gefunden. Wir standen oft vor unseren eigenen körperlichen Grenzen, die wir manchmal mutig , manchmal heulend, manchmal stolz und manchmal freudig, aber immer überwunden haben. 

Vor Allem sind wir sehr dankbar, gesund und ohne größere Schäden wieder unser Zuhause zu erreichen.

Trotzdem aber hoffen wir, dass das nicht unser letztes Abenteuer gewesen sein wird! Wir haben weiterhin Träume und Ziele, die wir trotz unseres Alters gemeinsam mit unseren tapfer durch haltenden Motorrädern Harry and Sally verwirklichen möchten! 

Mein lieber Mann hat nun viel zutun, die ganzen Blessuren, vor Allem bei meiner geliebten Sally zu beseitigen. Über den Winter wird er sie, das weiß ich ganz genau, bis auf die letzte Schraube auseinandernehmen und wieder zusammenfügen, sie hegen und pflegen, dass sie wieder fit sind für die nächsten Motorradmomente!

Nun aber erwartet uns wieder Haus, Garten und ganz viel Arbeit!

Wir freuen uns darauf, unsere Jungs in die Arme zu schließen zu können, wir freuen uns auf unsere lieben Freunde und Nachbarn, die mit uns gefiebert haben, die über all die holprigen Straßen mit uns gefahren sind, die diese besonderen Motorradmomente miterlebt haben, uns immer mit lieben Worten bedacht haben und uns auf so großer Distanz immer virtuell bei Seite standen. DANKE!

Meine liebe, alte, langjährige Freundin Heidrun, das tägliche Update wird mir fehlen!

Ich im speziellen freue mich wie immer auf meine eigenen vier Wände, auf die alltäglichen Annehmlichkeiten und lieb gewonnenen Kleinigkeiten wie einen morgendlichen, frisch aufgebrühten Kaffee, den Blick aus dem Arbeitszimmer, mein eigenes kuscheliges Bett, auf Herbstabende auf dem Sofa mit meinem lieben Mann vor Kamin und Fernseher, auf (m)eine Waschmaschine , Geschirrspüler, fein sortierte Sachen im Kleiderschrank, meine wohlriechende Dusche und und und! Eben auf ein ganz normal geregeltes Leben und auf meine Praxis mit meinen lieben Kundinnen!

Ich freue mich weiter auf einen ganz normalen Supermarkt, auf Sonntagsbrötchen von unserem Lieblingsbäcker überreicht von meiner Lieblingsbäckereifachverkäuferin, auf ein frisch gezapftes Härke in unserem Lieblingsgasthof und auf meine Friseurin, die mir meine zotteligen Haare wieder richtet! 

 

... Noch gut 230 Kilometer bis Zuhause!!!

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Kommentare: 1
  • #1

    H. (Samstag, 18 September 2021 10:52)

    … mir auch liebe Bella und bester Radiomoderator ever, sehr sogar…