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Türkei Teil 1 von Karasu bis Amasya


Türkei , eine holprige Einreise und unbekanntes Schwarzmeerhinterland


Unsere "Kaunus" legt genauso pünktlich an wie sie abgelegt hat, es ist kurz vor 22.00 Uhr. Ich bin etwas nervös und mache mich rechtzeitig und lange vor der Zeit ans Sachen zusammenpacken und ziehe schon mal meine Motorradklufft an. Mein lieber Mann beruhigt mich mit den Worten: "Du wirst sehen, es dauert noch so seine Zeit bis wir von Bord können! Meinst du, die Türkischen Behörden sind schneller als die Ukrainischen?" ... Er wird natürlich Recht behalten!

Um die Zeit tot zu schlagen schauen wir noch eine Weile beim Anlegemanöver zu, ich in meiner Kombi und mein lieber Bert in kurzen Hosen! Irgendwann als sie angetäut ist, ertönt die liebliche Stimme aus dem Lautsprecher, dass sich alle Passagiere an der Rezeption anfinden sollen. Wir - die ca. 20 Passagiere plus LKW-Fahrer quetschen sich in den kleinen Raum an der Rezeption. Es heißt, die türkischen Behörden kommen an Bord und es ist mal wieder Warten angesagt. Die Luft in dem Raum kann man schneiden und die Ausdünstungen aller sich in diesem Areal befindlichen Personen treffen sich in meiner Nase. Immer wieder stellt sich auch hier die Frage: Was ist los, wenn die Fähre ausgebucht ist? Und wohin dann mit den vielen Menschen? Dann erblicken wir Uniformierte und reges Treiben ist zu beobachten! Super, dann können wir ja gleich von Bord, eine halbe ist schon mal drauf gegangen. Wir übergeben unsere Pässe, die erst mal einbehalten werden, dann werden wir aufgefordert zum "Doctor" zu gehen , wir folgen im Entenmarsch den anderen. Einzeln werden unsere Impfausweise kontrolliert und uns wird Fieber gemessen. Ein Mensch in weißem Kittel dokumentiert alles. Es muss ja alles seine Richtigkeit haben! Wenn das der Pandemiebekämpfung in der Türkei dient, immer gerne! An der Rezeption und mit all den Gerüchen warten wir geduldig auf ein Neues. Wir können uns sogar einen Sitzplatz ergattern und es heißt, wenn alle beim "Doc" durch sind, dürfen wir von Bord. Wir blicken uns um und alle Mitreisenden scheinen anwesend zu sein. Und es passiert.... NICHTS!!!... Wir warten nun schon mindestens 30 Minuten nach dem Medical Check. Oder gibt es etwa noch blinde Passagiere? Uniformierte laufen geschäftig herum. Ich beobachte das Treiben, so langsam werde ich müde - es ist immerhin schon nach 23.00 Uhr - und dünste wahrscheinlich in meinen Motorradklamotten noch mehr aus, als meine Mitreisenden! Ich träume von einer geräumigen Dusche mit wohl riechendem Duschschaum und angenehm lauwarmen Wasser! Gegen 23.30 Uhr ist es endlich so weit und wir dürfen mit einem Stempel im Pass zu unseren Fahrzeugen. Schnell alles aufschnallen und runter von der "Kaunas" ! Mit den 5 anderen Fahrzeugen geht es endlich die Rampe runter und... es wäre zu schön, aber ganz fertig sind wir ja noch nicht! Der Zoll wartet schon auf uns. Nochmal runter von den Motorrädern, rein in ein Häuschen, wo man einzeln in ein Büro eintreten muss. Ein Beamter fragt nach einer Adresse in der Türkei und ob man schon mal das Land besucht hat und nach dem Grund der Reise. Dann dürfen wir wieder raus und müssen noch auf einen Check der Fahrzeuge warten. Es ist Zeit Abschied zu nehmen von Lana und Jana und den Franzosenukrainertürken. Es ist nach Mitternacht als sich endlich das Tor öffnet und wir an dem großen roten Banner mit Sichel und Halbmond einreisen! "Welcome to Turkey", das steht zwar nirgends, aber das denke ich mir!

Mein Bert hat wohlweislich und vorausschauend ein Hotel in unmittelbarer Nähe gebucht. Wir sind fix und fertig, nachts in einem neuen, fremden Land mit wieder anderem Verkehr zu fahren, ist sowieso nicht nur unser Ding sondern auch gefährlich. Daher sind wir froh, dass es nur noch 3 km sind bis zu unserer Unterkunft mit dem vielversprechenden Namen "Vizyon Resort Hotel" in Karasu am Schwarzen Meer ca. 200 km östlich von Istanbul. Noch einchecken, wir hatten bei der Buchung späte Ankunft angegeben, die Rezeption ist tatsächlich um 0.30 Uhr noch besetzt. Ein freundlicher, älterer, vermutlich der  Besitzer verlangt gleich Vorkasse und 5,- Euro mehr, als im Buchungsportal angegeben. Wir sind jetzt einfach zu müde zum Diskutieren und bezahlen freiwillig. Wir freuen uns nur noch auf die lang ersehnte Dusche und ein Bett! Ein großes Zimmer erwartet uns und wir sagen mal wieder: "Reicht für eine Nacht!".... Oh... nein... was ist das? Wir haben uns schon unserer Motorradkluft entledigt und stehen in Unterwäsche und Socken... in einer Wasserlache! Keine Lache, das ist ein See! Das Zimmer steht auf einer Seite unter Wasser! Hier mögen wir Beide nicht schlafen, egal wie spät es ist. Also, alles wieder anklötern! Bereitwillig gibt uns der freundlich lächelnde Herr achselzuckend ein anderes Zimmer. Wir wechseln die Schlüssel und schleppen unsere Klamotten ein Zimmer weiter. Ok, das geht... nein, das geht auch nicht! Die Betten sind zwar frisch bezogen und das Zimmer ist wirklich oberflächlich in Ordnung, aber das Bad! In der Toilette läuft permanent das Wasser, so dass die Spülung nicht funktioniert. In der Dusche ist der Abfluss verstopft, so dass fast der gesamte Raum unter Wasser steht! Ich schmeiße fast alle Handtücher hin, um das Gröbste aufzusaugen. Aber jetzt um 1.30 Uhr ist uns wirklich alles egal! Wir nehmen alles so hin und fallen in die Betten. Humor? Den haben wir heute Nacht verloren! Hoffentlich finden wir ihn wieder!

Am nächsten Morgen scheint die Sonne in Karasu am Schwarzen Meer. Mit dem netten, freundlichen Herrn mit dem herunter gekommenen Hotel lohnt es sich wirklich nicht zu diskutieren, wir knallen ihm den Schlüssel auf den Tresen und sind froh, abreisen zu können. Keine Minute länger möchten wir hier bleiben. Übrigens: Die Lösung mit der Toilette haben wir ganz elegant gelöst, in dem wir mit dem Mülleimer Wasser hinein geschüttet haben! Doch Humor haben wir doch wieder!

Nach ein paar Kilometern  verlassen wir die Küste. Ab jetzt geht es nur noch ostwärts. Einige Etappen liegen noch vor uns bis wir an unserem großen Ziel, dem Berg Ararat ganz im Osten des Landes ankommen werden! Unser nächstes Ziel ist ein Hotel nahe der kleinen Stadt Kursunlu an der Europastraße 80 in der Provinz Kankiri. Hier haben wir ein Hotel mit einem ebenfalls wohl klingenden Namen gebucht: Das " Ipeksoy Thermal Hotel"! Bis dahin sind es etwas mehr als 300 km, die wir auf der gut ausgebauten Strecke locker und entspannt abfahren. Die türkischen Straßen sind uns noch gut von unserer Reise 2019 in Erinnerung, als wir genau diesen Streckenabschnitt schon einmal gefahren sind auf unserer großen 15.000 km Tour. In Erinnerung sind uns auch die vielen kleinen Rastgelegenheiten mit einfachsten, privaten Imbissständen, die zum Halt einladen. Genau an einem dieser kleinen Orte machen wir eine kurze Rast, die uns durchatmen und innerlich auftanken lässt. Uns haben 2 Spiegeleier und ein türkischer Mokka noch nie so gut geschmeckt!

Nahe unserem Ziel weisen schon einige Werbeplakate und Wegweiser zum "Ipeksoy", aber unser Navi führt uns daran vorbei und unser Zielort ist mitten in in der kleinen Stadt Kursunlu. Das Navi hat immer Recht und so folgen wir ihm brav. Nein, hier gibt es weder ein Thermalhotel noch sonst ein Hotel. An dem kleinen Platz haltend, werden wir von allen Seiten beäugt. Wir fragen in die Runde der umstehenden Männer, die uns alle mit Handzeichen bedeuten, dass das von uns gesuchte Hotel weit außerhalb liegt und wir umdrehen sollten. Ok, wir sind hier falsch... aber... wir brauchen doch noch eine Sim-Karte für die Türkei und wir stehen genau vor einem Vodafone-Laden (das keine Werbung, das hätte auch jeder andere Anbieter sein können!) Also, nix wie rein und eine Sim-Karte kaufen! Aber so einfach ist das nicht: Die junge Dame versteht kein Wort einer anderen Sprache, auch will sie nichts mit Google-Übersetzer verstehen! Man sieht ihr an, dass sie noch nie in ihrem Leben, etwas mit Ausländern zu tun hatte und wimmelt uns ab. Enttäuscht verlassen wir den Laden, da kommt mal wieder - wie so oft ein Engel angeschwebt -, den wir zunächst gar nicht als solchen erkennen! Ein kleiner untersetzter Herr mittleren Alters, der auf uns einen nicht besonders gepflegten Eindruck macht, spricht uns an: " Do you need help?" Wir wiederum geben ihm kopfschüttelnd zu verstehen, dass wir auf seine Hilfe verzichten möchten!... "Was kann der uns schon helfen!", denken wir arrogant... Oder vielleicht doch?  Wir erklären ihm unser Problem und betreten mit ihm erneut den Laden. Er spricht mit der Verkäuferin, die offensichtlich keine Ahnung vom Verkauf mit Sim-Karten hat, in einem Laden der Sim-Karten verkauft. Er palavert mit ihr hin und her und nach gut einer Stunde können wir eine türkische Sim-Karte in unser mobiles WiFi-Gerät stecken. Und von nun an haben wir zu jeder Zeit eine Internetverbindung hier in der Türkei! ... Seinen Namen kennen wir nicht, aber : DANKE lieber Herr aus Kursunlu, der uns über eine Stunde seiner Zeit geschenkt hat! Mit seinen Schlappen schlurft er von dannen und wir drehen um und fahren zum Hotel, dass unsere Navi App nicht gefunden hat.

Im Ipeksoy Thermal Hotel empfängt man uns äußerst freundlich. Hier werden wir wie "First Class" Gäste behandelt.  Man trägt uns unser Gepäck in unser Zimmer, das genau ein krasses Gegenteil von dem Gestrigen ist. Wir finden: Das haben wir uns jetzt verdient! Leider ist es durch die ganze Sim-Karten Aktion etwas spät geworden, aber hier draußen gibt es eh nichts weiter Sehenswertes! Und nach Thermalbad steht uns nicht der Sinn! Wir duschen endlich mal so, wie wir es kennen und gehen gepflegt runter ins Restaurant, wo man uns ein Buffet anbietet. Ein Kellner in einwandfreien Deutsch umsorgt uns von nun an. Wir erfahren, dass er Ismail heißt, aber wir sollen ihn Isi (Easy) nennen, so wie man ihn in Deutschland genannt hat. Aus Lörrach sei er und ist vor ein paar Jahren zurück in die Heimat. Er gibt uns seine private Telefonnummer... falls wir mal in Schwierigkeiten sein sollen! Danke Isi! Auch am nächsten Morgen steht er uns zur Seite. Während wir so unser Gepäck aufschnallen, kommt noch eine fremde Familie daher, die fragt, ob sie ein paar Fotos mit uns machen kann... Natürlich, immer gerne, wenn ihnen das Freude bereitet!

Unser nächstes Ziel ca, 250 km östlich ist die Stadt Amasya. So unbekannt für uns und eigentlich nur als Durchreise gedacht, finden wir sie schon bei der Einfahrt sehr sympathisch. Ein sauberes, geräumiges Hotelzimmer für wenig Geld mit Blick auf einen steilen Burgberg, direkt an einem kleinen Flüsschen gelegen, empfängt uns. Wir sind und gleich einig, dass wir hier gerne einen Tag länger verweilen wollen.

Also beeilen wir uns nicht, schlendern erst einmal entlang des Flüsschens und durch die kleinen Gassen. Die Stadt ist voll mit einheimischen Touristen und wir lassen uns genauso treiben wie sie.

Amasya, ebenfalls Hinterland der Schwarzmeerküste im Pontischen Gebirge im Tal des Flusses Yesilirmak gelegen, hat ca. 100000 Einwohner. Im Fels unterhalb der Festung befinden sich fünf Kammergräber der ersten fünf Könige von Pontos. Sie zeugen von einer Zeit von 300 - 183 v. Chr.

Gut ausgeschlafen und mit türkischem Frühstück im Bauch, kraxeln wir die vielen Stufen zu den Gräbern hoch, einfach beeindruckend, was Menschen vor Christi Geburt schaffen konnten. Außerdem hat man einen wunderbaren Blick auf die Stadt, die unter uns liegt.

Zwischendurch muss Bert noch sein Motorrad checken, denn er hat ein kleines, technisches Problem. Die hintere Steckdose für unsere Actioncam und somit  die Stromzufuhr funktioniert nicht mehr und um einen Kurzschluss zu vermeiden, muss er diese lahm legen. Das ist aber schnell erledigt, nebenbei noch schnell ein kleiner Check Up für die Beiden: Ketten ölen und gleich die Spannung prüfen!

Wir hängen am Nachmittag noch einen Stadtbummel dran, tauchen nochmals ein in die kleinen Gässchen mit den vielen kleinen Läden und Teehäusern, an dessen kleinen Tischen wie fast überall in der Türkei Männer gebückt über eine Art von Back Gamon Spiel sitzen, dabei genüsslich ihren Cay schlürfen und rauchen. Es hat den Anschein als würden sie das Wort Stress nicht kennen!

Zum Abschluss des Tages lässt sich mein Mann bei einem kleinen "Kuaför"  (Barbier) verwöhnen und gönnt sich eine Rasur. Die ganze Prozedur dauert eine halbe Stunde mit allem Pipapo, Cay gibt es prompt dazu und alles zu einem Preis von 1,50 €. Danke, Herr Barbier, ein tolles Erlebnis!

Wir gönnen uns in einem der zahlreichen kleinen Imbissläden einen Hähnchenspieß für ebenfalls kleines Geld und sind glücklich!

Amasya, ein unerwartetes kleines Highlight zwischendurch!

Nebenbei schauen wir Nachrichten und erfahren u.a., das es schwere Unwetter entlang der Schwarzmeerküste gegeben hat. Besorgt kontaktieren uns Freunde! Nein, davon haben wir zum Glück  nichts miterleben müssen. Wie ihr lesen konntet, sind wir sicher im Hinterland angekommen! Aber so ganz weit weg war das nicht...! Bei so vielen Schutzengeln, die wir dabei haben, kann uns nichts passieren!

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Kommentare: 5
  • #1

    Sylvia (Freitag, 20 August 2021 20:59)

    Und schon wieder so viel erlebt... Danke für den tollen Bericht und weiterhin gute Fahrt ��

  • #2

    Sandra Schultz (Samstag, 21 August 2021 07:30)

    Bei dieser tollen Berichterstattung hat man das Gefühl live dabei zu sein. Vielen Dank für diese vielen Einblicke! Weiterhin gute Fahrt �️

  • #3

    Heidrun (Samstag, 21 August 2021 10:23)

    Amasya….ist das schön dort….und wirklich fantastische Bilder…..

  • #4

    Stefanie (Sonntag, 22 August 2021 12:21)

    Tolle Berichte, super Bilder. Weiterhin eine gute Fahrt. Danke, für das Teilen dieser eindrucksvollen Erlebnisse.

  • #5

    Christian Hammann (Sonntag, 22 August 2021 18:03)

    Liebe Freunde was ihr alles erlebt....da gibt es nur eins: Bericht Bericht, weiter gute Fahrt und viele Schutzengel....