Ein holpriger Anfang
Als wir am Sonntag Morgen die Augen aufschlagen, trübt sich unsere Stimmung und somit unsere Vorfreude auf die beginnende Reise. Der Wetterbericht hat Recht, es regnet. Nein es regnet nicht nur, es schüttet wie aus Eimern.
Gut, wir sind ja noch Zuhause und müssen kein Hotelzimmer pünktlich verlassen. Also, erstmal Kaffee trinken und abwarten, ausgiebig frühstücken. Unsere Jungs sind noch da, wir werden uns einfach Zeit lassen. Egal und wenn wir erst mittags weg kommen, die dunklen Wolken werden sich schon verziehen. Der Regenradar sagt, dass es sich nur um eine Front handelt, die vorbei zieht, kein Dauerregen. Und genauso ist es, gegen Mittag verziehen sich tatsächlich die Regenwolken. So wollen wir wenigstens jetzt zügig los. Nur noch die letzten Dinge erledigen, Müll raus bringen und zum hundersten Mal Anweisungen an unseren Sohn erteilen, der sich ein wenig um Haus und Garten kümmern soll. Er rollt wie üblich mit den Augen, dieses Mal zu Recht!
Noch die Packtaschen aufschnallen, alle Elekronik angebringen und starten. Starten in eine ungewöhnliche Reise, nein nicht ungewöhnlich, eher außergewöhnlich. Außergewöhnlich sind dieses Jahr fast alle Reisen, egal ob In- oder Ausland. Von Corona ausgebremst sind alle, die reisen wollen, aber wie so Viele, nehmen wir die Einschränkungen in Kauf. Eigentlich fühlt es sich trotzdem ziemlich unspektakulär an. Eigentlich wären wir jetzt im Kaukasus auf dem Weg in den Iran...Eigentlich....
Wir brechen auf, wie immer Richtung Osten, zunächst Richtung Südosten. Die ersten 4 Etappen haben wir vorgeplant. Danach werden wir sehen... Unser erstes Ziel ist Tharandt, eine kleine Stadt im Erzgebirge, gut 320 km entfernt.
Ich drücke den Startknopf, in Gedanken bin ich schon auf der Strecke! Und? Und es tut sich nichts! Das vertraute Brummen meines Motorrads bleibt aus und es ist still. Selbst ich, die keine Ahnung von Technik hat, kann sagen, die Batterie ist leer! Mein Mann bestätigt meine Vermutung!
Und nun? Fluchen und Sprüche wie "gestern funktionierte noch alles" lässt sie auch nicht anspringen. Drei starke Männer können leider auch nicht weiterhelfen, auch mit Anschieben springt sie nicht an. Alle Startversuche scheitern. Dann eben Überbrücken, BMW Batterie frei legen und ran mit Überbrückungskabel an den PKW-Saft. Und zack, sie läuft! Alles wieder zusammen schrauben und jetzt aber los!
Die Frage nach dem warum, stellen wir uns bzw. mein Mann sich, später. Die Hauptsache, wir kommen bis Tharandt. Morgen ist Montag, da könnten wir uns eine neue Batterie besorgen. Aber mein lieber Mann hat schon eine Ahnung, es ist sicher nur eine Kleinigkeit, wahrscheinlich der neue Stromanschluss für Handy und Kamera. Ein kleines Problem, was er selbst recht schnell beheben kann... Hoffentlich!
Ausgerüstet mit allerhand Talismännern - vorne dran der kleine, von unserer "Schwiegertochter in Spe" selbstgehäkelte "Baby Yoda" aus der Serie "The Mandalorian" fährt, gut platziert an meinem Windschild mit - brechen wir endlich auf.
Erster kleiner Zwischenstopp ist wie immer Helmstedt. Am Grab meiner Eltern verabschieden wir uns vor jeder großen Reise.
Ein Sturzregen bremst uns erneut aus. Wir finden Unterschlupf unter einem Tankstellendach einer geschlossenen Tankstelle. Der Schauer ist schnell abgezogen, meine Maschine springt auf Knopfdruck sofort an. Jetzt aber... kann es endlich richtig los gehen! Um Kilometer zu machen und etwas aufzuholen, begeben wir uns gegen unserer Prinzipien erst mal auf die Autobahn, fahren aber hinter Leipzig gleich wieder runter.
Eine schöne, kurvige Streckenführung lässt uns entspannen und die anfänglichen Schwierigkeiten vergessen. Wir blicken oft in dunkle Regenwolken, müssen aber immer die entgegen gesetzte Richtung nehmen und bleiben zum Glück trocken. Wind und Landschaft tun gut, es riecht nach Ernte, Feuchtigkeit und Wald. Wir durchfahren Dörfer mit seltsamen Buchstabenkombinationen- und endungen:"tzsch" oder "witz", ich lese Orteingangsschilder mit Vergnügen. Die Ortschaft "Wutzschwitz" vereint Beides.
In Tharandt empfängt uns ein kleiner Gasthof mit einem für deutsche Verhältnisse sehr günstigem Übernachtungspreis. Wir erwarten natürlich kein "Ritz", sind aber angenehm überrascht. Das Haus ist zwar schon in die Jahre gekommen, aber wir bekommen ein großes, geräumiges und sauberes Zimmer samt natürlicher Freundlichkeit durch die Wirtin. Nur das Industrieschnitzel, was anscheinend lieblos in der Friteuse zubereitet wurde bietet keinen kulinarischen Höhepunkt. Ich erinnere mich , unsere letzte Reise begann ähnlich mit einem zähen, alten Hirschbraten...
Tharandt, eine Kleinstadt im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Wir poltisieren ein wenig und fragen uns, woher wohl die hohen Wahlergebnisse der AfD kommen und können uns das irgendwie nicht erklären.
Politik beiseite, machen wir noch einen kleinen Spaziergang durchs Örtchen und erklimmen noch zu später Stunde die Burgruine.
Ausgeruht begeben wir uns am nächsten Morgen Richtung Tschechien. Meine Maschine springt auf den ersten Knopfdruck an. Wir brauchen keine neue Batterie, die neue Stromzufuhr für die kleine neue Steckdose haben wirvorsichtshalber über Nacht gekappt. Daran liegt es wohl, so mein Mann. Bei Gelegenheit baut er den Anschluss um, eine Kleinigkeit ohne viel Aufwand.
Am kleinen Grenzübergang Hellendorf/Peterswald erwarten uns keine coronabedingten Kontrollen. Wir rollen einfach wie immer innerhalb der EU von einem Land ins Andere.
Unsere neue Naviapp führt uns auf kleinen Landstraßen kreuz und quer durchs Land. Auch hier saugen wir alle Gerüche sämtlicher Landschaften in uns auf. Hier ist alles grün und saftig, es scheinthier viel zu regnen. Wir aber haben mal wieder Glück und befinden uns auf der Sonnenseite. Sonnenschein und sommerliche Temparaturen begleiten uns. Auch wenn wir in unserer Montur ziemlich viel schwitzen, so fühlt sich Sommer an! Wir finden sogar einen optimalen Platz am Waldesrand fürs erste Picknick dieser Reise.
Entspannt cruisen wir weiter durch kleine, aufgeräumte Dörfer mit Vorgärten und gemähtem Rasen.
Wir machen einen kleinen Abstecher nach Polen. Unser nächstes Übernachtungsziel ist die Stadt Klodzko/Glatz in Niederschlesien, 80 km südlich von Breslau. In einer schönen, kleinen Altstadt überqueren wir bei einem kleinen Spaziergang die "Brücktorbrücke", eines der Wahrzeichen der Stadt, die nach dem Vorbild der Prager Karlsbrücke gebaut wurde und essen deftig, aber lecker zu Abend. Alles ist sympatisch.
Auch hier schlafen wir gut. Auf unserem großen Balkon gibt es das erste selbst gemachte Frühstück (das Hotel bietet leider keins an) und unsere neue Kaffeeemaschine kommt zu ihrem ersten Einsatz. Herrlich! Dieser Kauf hat sich gelohnt!
Gut gelaunt setzen wir unsere Reise fort und fahren erneut Richtung Tschechien. An einem kleinen Ort passieren wir die Grenze, die außer ein paar Hinweisschilder gar keine zu sein scheint. Die Grenzlinie führt über die Straße und genau durch einen Garten. Wer hat hier das Lineal genommen, um eine Linie zu ziehen? Eine Seite polnisch, eine tschechisch. Wie leben hier die Menschen? Fühlen sie sich mehr so oder so? Solche Grenzverläufe gibt es zu Hauf, egal wo auf der Welt. Grenzen zerschneiden Orte...
Nein das wird jetzt zuviel, wir fahren einfach von hier nach da, von einem in das andere Land.
Wieder geht es kurvenreich durch kleine Ortschaften, die an uns vorbei fliegen. Unser nächstes Ziel ist die Slowakei. Ein Land, das wir noch nicht kennen! Wir freuen uns drauf!
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Jo Wagner (Freitag, 31 Juli 2020 03:28)
Herrliche Berichterstattung, Sabine & Bert!! Ich kann den Kaffee bis nach Phuket riechen...... und das!!
Heidrun (Freitag, 31 Juli 2020 15:34)
.... ich rieche auch alles andere....
Super... freue mich auf die Fortsetzung ��