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Kasan - Wologda



Susdal, der Goldene Ring und andere Begebenheiten

Die dicken, dunkelgrauen Regenwolken hängen immer noch über der Stadt Kasan, als wir sie Richtung Westen verlassen. Die Großstadt Nischni Novgorod ist unser nächstes Etappenziel. Wir fahren auf der M7, die Moskau mit Ufa im Ural verbindet. Dementsprechend sind viele LKWs unterwegs. Die Strecke soll besser ausgebaut werden, dementsprechend gibt es viele Baustellen und wir kommen bei dem Schietwetter auch nur mäßig voran. Das dreckige Spritzwasser der LKWs, Spurrillen und schlechte Straßenzustände tun ihr Übriges. Da frage ich mich nicht zum ersten Mal, warum ich überhaupt auf einem Motorrad  sitze, noch dazu friere und von oben bis unten eingeschmaddert bin. Auf meinem Visier häufen sich die Dreckspritzer. Wir machen öfters mal Halt, kehren ein in gut ausgestattete Raststätten und wärmen uns bei Tee und Bortsch.

Die Millionenstadt Nischni Novgorod erreichen wir leider ziemlich spät. Eine typisch für russische Hotels unfreundliche Rezeptionistin empfängt uns mit ihrem negativem Charme. Wir verstehen sehr gut ihre Gesten, als Gäste sind wir ziemlich unwillkommen. Ich traue mich fast gar nicht nach dem Passwort für das WiFi zu fragen. Aber dennoch halte ich nach kurzer Zeit einen Zettel mit dem Code in der Hand. Auch ein Lächeln meinerseits bewegt sie nicht, es mir gleich zu tun. Das Zimmer ist winzig klein, unsere Taschen müssen wir übereinander stapeln zu dem ist es sehr spartanisch eingerichtet. Etwas miefig ist es auch, aber sauber und zum Schlafen für eine Nacht reicht es. Obwohl es schon etwas spät ist unternehmen wir noch einen kurzen Spaziergang bei viel zu kalten Temperaturen. Wir schauen uns kurz den Kreml an und finden sogar ein nettes, hippes Restaurant in einer Seitenstraße.

Das Frühstück am nächsten Morgen ist so liebevoll angerichtet, das uns die freundliche Empfangsdame von gestern genauso liebevoll serviert. Wir bekommen Milchreispamps in einer Aluschale und ein Stück Schokotorte. Aber Instantkaffee gibt es, worüber wir uns wahnsinnig freuen!



Weiter geht es Richtung Susdal, unserem nächsten Highlight. Zum Glück bleiben wir auf der Fahrt, bis auf ein/zwei größere Güsse, wo wir uns unterstellen können, trocken. Die Etappe ist recht kurz, die Straße vierspurig und gut befahrbar, so dass wir schon am frühen Nachmittag ankommen. Unser Hotelzimmer ist  neu und gemütlich eingerichtet. So können wir noch einiges von der kleinen Stadt sehen. Sie gehört zum goldenen Ring, zu dem mehrere altrussische Städte nordöstlich von Moskau gehören. Susdal soll die Schönste davon sein und zählt zu den am meist Besuchtesten in ganz Russland. Unzählige Kirchen und Klöster befinden sich hier. Die Sonne scheint, die Zwiebeltürme glänzen und alte Holzhäuser, teils gut restauriert, teils dem Verfall Preis gegeben, säumen die Straßen. Schöne mit bunten Blumen geschmückte Vorgärten machen das Gesamtbild aber sehr freundlich. Wir fühlen uns wohl. Leider ist die Zeit mal wieder viel zu knapp. Ich wäre gerne länger hier. Susdal  ist ganz klar ein Highlight, dass wir ohne den Bericht im "Rhein-Wolga- Kanal" verpasst hätten und wären glatt vorbei gefahren! DANKE !

Nach der vielen Lauferei haben wir mächtig Hunger, irren aber durch das kleine Städtchen, alle Gaststätten sind voll und so müssen wir auf das hoteleigene Restaurant ausweichen. Ein Plakat am Eingang klingt viel versprechend: "We offer delicious homemade meal". Die Lokalität befindet sich im Keller des Hotels , ist dementsprechend dunkel und das Ambiente, naja, ist sehr nüchtern und kühl und wirkt wie eine Kantine. So hallt es auch, als wir die Stühle verrücken, um Platz zu nehmen. Eine äußerst geschmackvolle Plastiktischdecke ziert den Tisch, an der unsere Unterarme fest kleben. Wir haben direkten Blick auf den Riesenfernseher an der Wand gegenüber, dessen Bild mit üblichem, lauten Russenpop vor sich hin flimmert. Eine kleine, bunte Lichtorgel, die stilvoll im Rahmen des Kellerfenster festgetackert ist, verleiht mit seinen bunten Lichtlein dem Raum das passende Ambiente. Eine Speisekarte im üblichen Sinne gibt es nicht, eine paar wenige Speisen sind nur in kyrillisch auf einem mit Fettflecken übersäten Din A 4 Bogen aufgelistet.  Die Kellnererin, die genauso freundlich ist, wie die Rezptionistin in Nischni Novgorod, kann uns leider auch nicht helfen. Wir können nur eines verstehen und das ist  "Koteleti mit Kartoffeln und Gemüse". Koteleti, das sind nicht Kotelettes wie wir sie kennen sondern Russische Bouletten. Das wissen wir schon mal und so sind wir auf somit auf den kulinarischen Höhepunkt des Abends vorbereitet!

Unser Gourmet-Menü sieht wie folgt aus: Das Gemüse besteht aus einem kleinen Schälchen Gurken, Paprika und Tomaten, unangemacht, also komplett ungewürzt, wir nennen es Salat. Zum Glück steht Salz und Pfeffer auf Tisch und somit können wir unser Salatchen verfeinern. Die Kartoffeln kommen in Form von einem großen Klecks Kartoffelbrei, vermutlich Tütenkartoffelbrei, auf dem ein Topping aus einem Stängel Dill prangt. Das Koteleti, also die Boulette, Frikadelle, Fleischpflanzerl oder wie auch immer ihr das nennen würdet, entpuppt sich als irgendetwas zwischen Hühnchenfleisch und Fisch, außen kross, innen Matsch. Undefinierbar, da können wir soviel rätseln, wie wir wollen, wir finden es nicht raus!  Wie wir schon geahnt haben, ein kulinarisches Highlight ohne Gleichen! Der Hunger treibt es uns rein! Die Rechnung ist auch die Krönung... überdimensional teuer!

Unser Prädikat: "Schlechtestes Essen der ganzen Reise!"... Allerdings - wir erinnern uns an unsere Übernachtung in Östereich - dicht gefolgt vom Hirschsteak in den Alpen!



Wir verlassen bei kalten Temparaturen, aber trocken diese schöne Stadt und fahren Richtung Norden. Die nächsten Etappen sind größer, die Hoteldichte bis Murmansk ist ziemlich dünn. Unser Etappenziel ist wiederum eine Provinzstadt namens Wologda. Sie ist Kreissatadt und mit über 300000 Einwohner gar nicht so klein. Bis dahin quälen wir uns über die Straßen mit viel Regen oder wenig Regen, eigentlich regnet es ununterbrochen, nein, kurze trockene Perioden sind auch dabei an denen wir uns erfreuen, manchmal sehen wir sogar ein wenig blauen Himmel. Es fällt schwer, immer schön positiv zu sein.

Bei kalten 7 Grad, wohl gemerkt "+" ... und schrecklichem Nieselregen erreichen wir Wologda... Übrigens die Durchschnittstemperaturen betragen hier normalerweise im August zwischen 11 und 21 Grad, also ist es ziemlich kalt für die Jahreszeit!

Unser Zimmer erfüllt seinen Zweck, wir laufen kurz im Regen durch die Stadt und kehren ein in ein Restaurant, das bei Google als  "Bar and Grill" bezeichnet wird. Von innen sieht es eher aus wie eine gemütliche Kellerkneipe und Sportsbar. Wir essen "Chicken Wings und Cesars Salad", trinken tschechisches Bier, im Fernseher läuft - rundum auf vielen Monitoren - ein Championsleague-Spiel : Liverpool gegen Manchester City, die Sprache ist stumm geschaltet und aus Lautsprechern klingt "ELO und Roxy Music". Also alles typisch Russisch! Was für ein Glück wir aber auch immer mit den Restaurants haben! Wir fühlen uns aber diesmal nicht unwohl, das Essen schmeckt, die Musik ist unser Geschmack und die Bedienung ist sehr nett! Bei dieser Athmosphäre fühlt sich alles noch viel unwirklicher an, so 450 km nördlich von Moskau!


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Kommentare: 1
  • #1

    Heidrun (Montag, 05 August 2019 23:34)

    Die Frikadelle ist der Knaller�