Die ersten 1500 km
5 Tage sind wir jetzt unterwegs, 1500 km liegen hinter uns mit allen Wetterkapriolen, von heftigen Regenschauern bis hin zu schwüler Hitze. Mittlerweile sind wir in einer anderen Welt angekommen, Iwano Frankiwsk in der Ukraine.
Den ersten Tag ging es von "O nach O", von Oberg nach Ottendorf-Okrilla in Sachsen, wir kehrten in einem schöne Landhotel mit kleinem Biergarten und sächsischer Küche ein, genau das Richtige für uns und ein passender Start, um sich auf eine lange Reise einzulassen, wissend, dass wir uns auf Ungewisses und Unbekanntes einlassen müssen.
Am nächsten Tag geht es gleich zügig weiter nach Polen. Dann eine Verzögerung, die uns zeitlich etwas zurück wirft, für knapp 50 km brauchen wir 1 1/2 Stunde, verursacht durch einen Ampelstau in Lagiewniki. Abgenervt nehmen wir eine vermeintliche Abkürzung, die sich leider als unbefestigte Holperpiste entpuppt und uns Einiges an fahrerischen Können abverlangt. An unserem Ziel Krapkowice an der Oder in Schlesien kommen wir dementsprechend spät an. Unser Prinzip, keine oder kaum Autobahn zu fahren, haben wir dann auch gleich verworfen und uns am nächsten Morgen nehmen wir gleich die erste Auffahrt und es geht zügig an Kattowitz und Krakau vorbei. Unser Ziel: Bratkowice, ein kleiner Ort in Südostpolen, unweit der Ukraine, eine unbekannte und touristisch unbedeutende Region Polens.
Ein netter Hotelier, ein sauberes Zimmer, lecker, deftig polnisches Essen dazu noch geschenkte kleine Törtchen zum Nachtisch und mit einem kleinen Verdauungsspaziergängchen beenden wir zufrieden unseren Tag. Bratkowice, ein sympatischer Ort, sauber und aufgeräumt mit freundlichen Menschen. Es hiterlässt bei uns den Eindruck, als wenn es den Wettbewerb "Unser Dorf soll schöner werden" gewinnen wolle. Auch die Vorgärten scheinen miteinander zu konkurrieren, einer schöner und bunter als der andere!
Noch 100 km bis zur ukrainischen Grenze, die wir am nächsten Tag auf einer leeren, nagelneuen, aber fast gespenstisch wirkenden Autobahn verbringen. Mal hier ein LKW, mal da ein PKW bis zum Grenzübergang Korczowa (PL)/Krakowez (UA).
Wo auch immer die Schlange an PKWs her kommt, die wie eine Fata Morgana plötzlich vor uns auftaucht, wir mogeln uns einfach mit unseren schlanken Zweirädern bis zum Schlagbaum vor. Erstaunlich und keiner meckert!
Der Grenzübergang, EU-Außengrenze, wirkt aber wie Einer zu alten DDR Zeiten. Etwas grimmig drein schauende Grenzer, Schlagbaum hier, Schlagbaum da. Im 3x1-Fahrzeug-Takt wird man durch gelassen. Irgendwie geht dann doch alles zügig, die Grenzer sind erstaunlich freundlich, keine große Kontrolle, kein Gepäck durchsuchen und schwupps befinden wir uns in der Ukraine.
Wir tauchen ein in eine andere Welt.
Unser Ziel ist Iwano-Frankiwsk. Die Gebietshauptstadt und Universitätsstadt mit seinen 200.000 Einwohnern liegt in der Westukraine am Fuße der Karpaten.
Zur Ukraine bzw. zu einem Ukrainer haben wir ein ganz besonderes Verhältnis. Im Jahr 2005 hatten wir einmal für unsere damals noch kleinen Kinder einen Aupair-Jungen für ein Jahr zu Gast in unserer Familie, zu dem wir bis heute noch in Kontakt sind. Im Mai 2016 waren wir sogar bei seiner Hochzeit in seinem Heimatdorf in der Nähe von Iwano-Frankiwsk. Hier wollen wir uns mit unseren Jungs und unserem Freund Christian treffen, um dann in das kleine Dorf Volodymyrs zu fahren. Sogar einen kleinen internationalen Flughafen hat die Stadt und die Drei sollen Morgen mit dem Flieger aus Kiew hier landen.
Wir haben noch ca. 200 km bis Iwano Frankiwsk, die wir auf erstaunlich guter Straße zurück legen. Am Wegesrand Menschen, die ihr im Garten angebautes Obst, verkaufen. 2 Äpfel und 2 Birnen werden uns geschenkt und die Reste von Törtchen bei einem Picknick am Waldesrand verzehrt. Noch ein, zwei Regenschauer und Iwano Frankiwsk empfängt uns bei Sonnenschein und mit schlechten, Schlagloch übersäten Straßen, die so typisch für die Ukraine sind. Die Kilometer von der Grenze bis hier waren wohl nur Zufall... Oder tut sich etwa etwas in der Infrastruktur?
Wir sind glücklich, heil angekommen zu sein. Im uns bekannten Hotel Nadja, in dem wir schon vor 2 Jahren gewohnt haben, erwarten uns Englisch sprechende Rezeptionisten und ein großes Zimmer, sowie eine Dusche. Das in einem renovierten Plattenbau ansässige Hotel hat "Weststandard". Die Innenstadt ist bei lauen Temparaturen noch zu später Stunde sehr belebt und wir kommen uns vor wie in Südeuropa. Wir nehmen ein auf "Nouvelle Cuisine" gemachtes, aber leckeres Essen zu uns und gehen früh schlafen.
Den nächsten Tag gehen wir entspannt an, besuchen einen Soldatenfriedhof, der sich gleich hinter dem Hotel befindet und der uns sehr nachdenklich und zugleich traurig stimmt. Auf den Grabsteinen lesen wir die Geburtsdaten der gefallenen Soldaten, alles junge Männer, zum Teil Jahrgänge unserer Söhne, gestorben vor noch nicht all zu langer Zeit in dem für uns so unverständlichen Konflikt in der Ostukraine. Auch Stände sehen wir, wo für die Hinterbliebenen Geld gesammelt wird.Um uns abzulenken schlendern wir durch die sich modern gebende Stadt und holen unseren Mietwagen ab. Unsere Motorräder lassen wir ein paar Tage stehen und werden heute Abend unsere Jungs und unseren Freund Christian in Empfang nehmen, die hoffentlich pünktlich mit dem Flieger ankommen werden.
Vorfreude auf unseren "Vovo" und seine Familie, die wir morgen in seinem Heimatdorf Debeslavzi besuchen, haben wir jetzt schon.
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